Alles für diesen Moment?

Beim Club hängt nach dem verlorenen Derby gegen „Die Heimsieglosen“ der Haussegen schief. Recht so, wäre ja noch schöner, wenn man danach zur Tagesordnung übergehen würde. Jetzt blaffen sich die Ultras und einige Spieler (Balitsch, Schäfer) an. Beide Parteien haben recht. Auch der gemeine Ultra müßte schon rote-schwarze* Tomaten auf den Augen haben, um zu ignorieren, dass sich der Club weiter entwickelt hat und im Rahmen seiner Möglichkeiten eine gute bis sehr gute Saison spielt. Früher wäre die Mannschaft nach einem abrupten Trainerwechsel vor Weihnachten durchgereicht worden, diese Saison hat man den Klassenerhalt früher als je zuvor gesichert, mit Kiyotake aus dem Stand den besten Scorer der Liga verpflichtet und mit Klose den nächsten überragenden Innenverteidiger auf den Weg gebracht. Das 3-0 gegen Schalke war ein Sahnestückchen, wenn auch gegen den falschen Verein. Dass Europa verpasst wird, ändert daran nichts. Lieber nächste Saison neun Punkte mehr auf dem Konto als ein Heimsieg gegen Anarthosis Famagusta.

Wäre das den Traditionalisten wirklich lieber: ein 1-0 gegen Fürth, 28 Punkte auf dem Konto, und in den kommenden Jahren viele, viele Zweitligaspiele mit vielen, vielen Siegen gegen Fürth? Der Club hat als einzige Mannschaft den Bayern und Dortmund in ihren Auswärtsspielen den Zahn gezogen, vielleicht kann das die mittelfränkische Seele trösten,auch wenn die Hinrunde schn wieder verdammt lang her ist.

Auf der anderen Seite ist es nervig, wenn Schäfer sich aufs große Ganze zurückzieht und Balitsch den Dienstleister raushängen läßt. Das klingt bei beiden so, als glichen sich 34 Bundesligaspiele wie 34 Doppel-Cheeseburger. Balitsch wird vom kicker zitiert: „Wenn ich heute als Nürnberger Familienvater mit meinem Sohn hierhergekommen wäre, um die Mannschaft zu unterstützen und werde dann von einem Teil der so genannten Fans runtergebrüllt, dann ist das eine untragbare Situation.“ Balitsch kann sich sicher sein, dass der von ihm angeführte Familienvater auf die Niederlage gegen Fürth genauso abgekotzt hat wie die Ultras. Vor allem, wenn der Arbeitskollege oder die Schwiegertochter Fan der Spielvereinigung ist und der Mann sich jetzt bis zum nächsten Duell diese Niederlage und die – viel schmerzhaftere – im Pokal aufs Brot schmieren lassen muss. Ein Profi, der sich über Emotionen nach einem verlorenen Derby beschwert, könnte auch sagen: Ui, ist das aber schmerzhaft laut hier, wenn er vor dem Anpfiff ins Stadion läuft. Balitsch hätte fast den Ausgleich geköpft gegen Fürth und ist immer einer, der sich reinhängt, wenn es mal nicht so läuft. Und Schäfer spielt tatsächlich seine beste Saison seit dem Pokalsieg. Insofern haben sich die beiden wirklich weniger vorzuwerfen als andere Spieler. Aber dass die Treuesten der Treuen nicht kommentarlos zur Tagesordnung übergehen, darüber müssen sie nicht jammern. Ein Sieg in Hoffenheim hätte die Situation übrigens merklich entspannt, aber diese Chance hat die Mannschaft ebenso hergeschenkt wie die, die sie sich gegen Fürth erarbeitet hatten.

*schwarz zum Beispiel Black Prince oder Schwarze Krim

Ästhetisch ansprechend, aber meist spannungsarm

Mählich plätschert diese Bundesligasaison vor sich hin. Viele Entscheidungen scheinen bereits gefallen. Fürth hat am Wochenende leider wieder einmal den ersten Heimsieg verpasst. Mittlerweile spielen sie zwar mit Herz in der Hand und Arsch in der Hose, aber immer noch vollkommen planlos. Zumindest ist man auf den Zweitligaabstieg gut eingestellt. Durchaus möglich, dass sie in den kommenden Jahren wieder vorne mitspielen und sich dann auch ein bundesligataugliches Management gönnen.

Vorne darf Bayern tun und lassen, was es will. Dass der chronisch selbsternannte Europa-Aspirant HSV ein paar vor den Latz gekriegt hat, ließ mich dann doch mal kurz grimmig aufschmunzeln. Es gibt keinen Verein in der Liga, bei dem Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander liegen wie bei den Hamburgern. Sie spielen zwar nicht mehr gegen den Abstieg, sind aber von ausgereiften Teams wie Mainz oder Hannover immer noch ein, zwei Entwicklungsschritte entfernt. Von Schalke oder Leverkusen gar nicht zu reden.

Der Kampf um Platz 4, 5 und 6 enthält wenigstens noch einen gewissen Grad Restspannung. Den Schalkern wäre der vierte Platz zu wünschen. Leichtfertig haben sie das CL-Viertelfinale gegen Galatasaray hergeschenkt. Man kann im Achtelfinale ausscheiden, darf es aber nicht, wenn man nach einem 1-1 auswärts daheim 1-0 führt. Trotzdem hätten die meisten Vereine gerne diese immer wieder beschworene Schalker „Krise“. Bitte nicht wieder Heynckes als Trainer auf Schalke.

Leverkusen hat sich in dieser Saison klammheimlich verbessert. Die sehr guten deutschen Spieler, die gerade dort beschäftigt sind (Bender, Castro, Kießling, Rolfes), müssen wieder einmal erfahren, dass die Chancen schlechter sind, Nationalspieler zu werden, wenn man bei Leverkusen spielt. Ob Nowotny oder Kirsten, Friedrich oder Adler, der DFB legt bei Leverkusener Spielern strengere Maßstäbe an als bei anderen Vereinen. Dass Löw gerne wendige Stürmer hat, glaubt man übrigens gleich, wenn man sieht, dass Hanke und Helmes (ex-Leverkusen) nie eine echte Chance bekommen haben. Aber macht ja nichts. Sollen Kießling und Co nächste Saison eben gut erholt die Champions League aufmischen.

Frankfurt war vor dem Spiel in Fürth auf Platz 7, jetzt ist es punkt- und torverhältnismäßig gleichauf mit Schalke. Eine ganz enge Kiste. Mainz hält super mit, Gladbach schwächelt, Hannover greift nochmal an. Und leise, leise schleicht sich der Club nach oben. Seit dem Pflichtsieg in Augsburg ist das Team aller Abstiegssorgen ledig, und unter Wiesinger reift die Mannschaft von Spiel zu Spiel. Das 3-0 gegen Schalke mit dem Dusel in der ersten Halbzeit habe ich live gesehen. Das hatte zwar noch nicht die Kaltschnäuzigkeit der 2007er-Pokalmannschaft, aber vieles gefällt mir beim Club im Moment. Die drittbeste Abwehr zum Beispiel. Pinola fällt als Grobmotoriker zwar technisch ab im Vergleich zu Balitsch, Klose, Nilsson, Chandler, aber dass er wichtig ist, dass er in diesem meist zu braven Team Feuer erzeut, ist zu sehen. Zusammen mit Esswein gibt er über links ein bärenstarkes Außenduo. Soll er einen neuen Vetrag kriegen? Auf jeden Fall, aber Bader und Wiesinger müssen bald einen Nachfolger organisieren.

Pekhart ist auch super. Er erinnert mich – mit Verlaub – an Marco van Basten. Noch ist er nicht so genial gut, aber für einen „Wandspieler“ (vulgo Mittelstürmer) hat er eine hervorragende Spielübersicht und eine superbe Technik. Er ist elegant, sehr fair und wird immer torgefährlicher. Neben Klose ist er vermutlich der, der am ehesten abgeworben werden wird. Insofern wäre dem Club eine Teilnahme am europäischen Wettbewerb zu wünschen. Die Mannschaft wirkt gefestigt genug, um die Doppelbelastung besser zu verkraften als im Abstiegsjahr 2008. Voraussetzung ist natürlich, dass Wiesinger bleibt, aber das klappt schon.

HSV nur sechs Punkte Rückstand auf Platz 1

Von den Mannschaften, die am ersten Spieltag verloren, haben immerhin drei am zweiten Spieltag gewonnen. Das entspricht der Fähigkeit, im Spiel nach einem 0-1 wieder zurückzukommen, nach einem schlechten Start für den Ausgleich zu sorgen. Bei Fürth kam der Sieg durch den Glücksschuß eines Spielers aus der eigenen Jugend zustande, unverdient war er nicht. Bremen bediente sich nervenstark beim Lieblingsgegner HSV, Leverkusen ersetzte die Leichtfertigkeit gegen Frankfurt durch konsequentes Nachsetzen.

Weiterhin punktlos sind wenig überraschend der HSV, ein wenig überraschend Augsburg und Hoffenheim und ziemlich überraschend Stuttgart. Dass ausgerechnet der solide arbeitende VfB am Tabellenende stehen, ist ein wenig tragic für Bobic. Gegen Wolfsburg unglücklich verloren, von den Bayern sauber abgefieselt, fertig ist der Fehlstart. Wenigstens können sie sich mit der Europa League trösten.

Der Branchenprimuskocher von der Säbener Straße hat zwar auch nur Wasser zur Verfügung, greift dafür aber wieder einmal zu den teuersten Zutaten. Diesmal musste es ein Martinez sein. Der kicker schrieb, bisher hätten sich die Großinvestitionen für die Bayern alle gelohnt. Das kann man für Robben und Neuer bezweifeln. Der erste scheiterte in zwei CL-Endspielen, der zweite war in der letzten Saison fast eine Note schlechter als in seiner letzten Saison auf Schalke und mir fällt kein Spiel ein, dass er für die Mannschaft gewonnen hat, mit Ausnahme des CL-Halbfinales gegen Madrid. Thomas Müller ist wieder da, der könnte auch international den Unterschied ausmachen. Ist er so gut, weil Gomez fehlt? Ich finde Mandzukic viel aufregender, auch wenn er natürlich im Moment das falsche Trikot trägt.

Nürnberg hat den Dortmundern durch eine tolle Mannschaftsleistung einen Punkt abgetrotzt. Beim letzten Heimspiel gegen den BVB spielten die Franken zwanzig Minuten lang couragiert und wurden dann Opfer ihrer Unbedarftheit. Diesmal spielten sie klug und gefährlich gegen den Angstgegner. In der Abwehr hat Klose sein Tief überwunden, Kiyotake und Balitsch ziehen die Fäden im Mittelfeld, Pekhart wird auf leisen Sohlen immer besser. Nach den beiden nächsten Spielen – in Gladbach und gegen die Überflieger aus Frankfurt – wird man sehen, wo es für den Club hingeht. Wie angefressen Lüdenscheids Trainer Klopp war, konnte man sehen, als er anfing dem Schiedsrichter die verlorenen zwei Punkte anzukreiden. Tobias Welz pfiff zwar mäßg, benachteiligte aber beide Teams recht ausgewogen.

Hannover und Schalke spielen richtig stark bis jetzt, leidenschaftlich, schnell und immer wieder sehr ahnsehnlich. Wolfsburg sucht sich noch und vermißt Mandzukic schmerzlich. Düsseldorf wird als das Cottbus vom Rhein in die Annalen dieser Saison eingehen, F95 steht offensichtlich für Fightclub. Gladbach ist (noch) nicht so stark wie letztes Jahr, hat aber den Verlust von CL und seiner Mittelachse ganz gut verdaut. Bei Freiburg und Mainz ist die Personaldecke so dünn, dass sie nur voran kommen, wenn sie ans Leistungslimit gehen. Der Höhenflug des hessischen Adlers kann durchaus noch länger dauern. Das ist eine eingespielte Mannschaft mit Potenzial fürs Mittelfeld, einem ehrgeizigen Trainer und sehr viel Wut im Bauch. Und der nächste Gegner heißt HSV.

Jetzt freuen wir uns alle erst einmal auf die Färöer.