Im Transferwirbel

Gerade noch mal gut gegangen. Der Rheuma-Kai bleibt dem Club erspart. Präsident Schäfer kann sich sogar noch an den letzten großen Winterfehleinkauf erinnern. Andere Entscheidungsträger kriegen gleich den Koller, wenn man sie daran erinnert, was sie vor zwei Jahren gemacht haben.

„Verantwortungsversessen“, das wäre doch mal eine schöne Kampfvokabel, um Banker, Regierungsmitglieder und Vereinsobere elegant von jeder Kritik zu befreien. Die bayerischen Steuerzahler sind verantwortungsversessen, weil sie wissen wollen, was der Herr Stoiber mit der HypoLB zu tun hatte. Die Deutschen sind verantwortungsversessen, weil sie nach acht Jahren keinen Krieg mehr in Afghanistan führen wollen. Nur die Hertha-Fans sind nicht verantwortungsversessen, winken ihren Präsidenten Gegenbauer auf der Hauptversammlung glatt durch und ihren Lieblingen noch einmal freundlich zu, bevor es in die Zweite Liga geht. Arne Friedrich gestern im kicker: „Gekas ist ein Killer vor dem Tor.“ Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt das Phrasenschwein, aber der Realitätssinn, der nibbelt schon etwas früher ab.

Sehr gut gefällt mir die Rückkehr von Baumjohann zu (auf?) Schalke, ein interessanter Spieler, der die immer noch platten, aber wenigstens effizienten Offensivbemühungen entscheidend aufmöbeln könnte. Wobei es nicht verboten ist, mit Einfallslosigkeit Deutscher Meister zu werden, die Bayern wissen, wie es geht. Dass Kluge jetzt auch gleich dem Lockruf des Magath folgt, ist natürlich nicht so schön, allerdings hat er für seine Erfahrung auch zu wenig gemacht, um den Absturz zu verhindern. 1,5 Millionen sind trotzdem viel zu wenig. Ich fände ja Simak im Mittelfeld nicht schlecht, der könnte ein bißchen Kreativität reinbringen bei den rotschwarzen jungen, schrecklich Braven.

Bei den Bayern gehen die Abwanderungsbewegungen weiter, nur Rensing sucht noch eine neue Aufgabe. Vielleicht in Südamerika unter anderem Namen, einfach mal noch mal ganz von vorne anfangen als Surflehrer, oder als Chaperon, um südamerikanische Profis pünktlich zum Flughafen zu bringen. Oder doch zum VfB? Wenn Gross wirklich so ein Disziplinfanatiker ist, dann hat er Lehmanns Faxen bald dicke. Und Ulreich und Stolz sind für Barcelona dann doch ein wenig arg unerfahren.

Interessant sind auch die Mannschaften, die sich nicht verstärken, insbesondere Leverkusen, da kommen mit Helmes, Rolfes und Renato Augusto gleich drei überdurchschnittliche Spieler zurück, einfach so. Völlers Handschrift ist zu sehen. Er hat eines von zwei ganz interessanten Manager-Interviews im kicker gegeben, im anderen spricht Dieter Hoeneß. Nur Nerlinger bietet den üblichen Schwurbel, sagt erst kantig-klar: „Ich spreche nicht über Trends, sondern nur über Fakten“, wird dann aber bei der letzten Frage doch noch zum Propheten: „Dieser Tag, dass wir wieder Erster sind, ist nicht mehr fern.“ Bei D. Hoeneß bin ich gespannt, was ihm gelingt, wenn er einmal richtig Geld in die Hand nehmen darf. 31,8% der befragten kicker-Fans glauben übrigens, dass Wolfsburg gegen Villareal ausscheidet, das ist der drittschlechteste Wert nach Stuttgart (85,9% gegen Barca) und Hertha (78,5% gegen Benfica). Bei Bayern glauben 89,2% an ein Weiterkommen gegen Florenz, aber Bremen hat die Nase vorn mit 95,6% gegen Twente. Und auch gegen Firenze ist es bloß ein Achtelfinale mit dem Heimspiel zuerst. Das hat selten geklappt, damals, als Bayern noch Seriengast in der CL war. Sollte der nostradamische Nerlinger sein Herz in beide Hände nehmen, Ribery verkaufen und Maicon mit diesem Geld verpflichten, dann könnte es diesmal sogar für das Viertelfinale reichen.

Die Qual der Quali

Auch die WM-Qualifikation zeigt, dass die Außenseiter und Überraschungsmannschaften auf dem Vormarsch sind. In Europa im Moment auf Platz eins in ihren Gruppen sind zwar bekannte Platzhirsche wie Deutschland, Griechenland, Spanien, England, Italien und Holland, das sich am Samstag vorzeitig qualifizierte und erneut die FIFA-Weltrangliste völlig sinnlos durcheinanderbringt. Keine wirkliche Überraschung. Drei weitere Erstplatzierte lassen allerdings aufhorchen: Dänemark, Slowakei und Serbien, die im Moment Frankreich (mit zwei Spielen weniger) auf Platz zwei verweisen. Weitere starke Zweite sind Rußland und Kroatien sowie mit der Schweiz, Irland und den Schotten, die immer noch von Berti Vogts‘ Aufbauarbeit zehren, drei Nationen mit zumindest internationaler Turnier-Erfahrung aus den letzten Jahren. Dass Bosnien, Nordirland und Ungarn jeweils Zweite sind, ist dagegen ungewöhnlich.  Stärkster Zweitplatzierter ist im Moment sicherlich Russland, ein Team das bei der EM 2008 einen Entwicklungszyklus gerade erst begann und mit Hiddink einen der besten Trainer der Welt hat. Sie können immer noch Gruppenerster werden. In Gruppe 5 ist der zweite Platz von Bosnien-Herzegowina zum großem Ärger der Türkei eine weitere große Überraschung. Dass Bosnien überragende Einzelspieler hat, ist seit Jahren bekannt, jetzt besteht die Chance, dass sie zu einem großen Turnier reisen können.

Nicht dabei wären im Moment Norwegen (hurra!), Rumänien, die Ukraine, die Türkei, Polen, Tschechien, Schweden und Portugal, also sieben Teilnehmer der letzten EM.

In Afrika qualifizieren sich nur die fünf Gruppenersten. Im Moment wären das Gabun, Sambia, Ghana, Tunesien und Burkina Faso, nicht dabei wären Marokko und Kamerun (mit Gabun in Gruppe A),  Algerien, Nigeria (in der Gruppe mit Tunesien), Ägypten und die Elfenbeinküste. Die Tabellen sind noch verzerrt, aber dass Gabun seine beiden ersten Spiele glatt gewinnt, davon 2-1 in Marokko, dass Sambia (FIFA Platz 90) in Ägypten einen Punkt holt, war nicht unbedingt zu erwarten. Nützlich für einen Überblick ist die schon einmal erwähnte FIFA-Weltrangliste, bei der man die verschiedenen Konföderationen, zum Beispiel die Liste des afrikanischen CAF, im Fenster rechts neben der Tabelle, auch separat aufrufen kann. Thomas N’Kono, der Torwart der legendären Mannschaft von Kamerun 1990, ist übrigens mittlerweile als Interimstrainer Nachfolger von Otto Pfister bei den unbezähmbaren Löwen, und spielt am Sonntag zuhause gegen den Mitfavoriten Marokko.

In Asien sind Südkorea, Australien und Japan bereits qualifiziert. Zweiter in Gruppe B und damit heißester Kandidat auf den vierten sicheren Platz ist Nordkorea (FIFA Platz 105), das in der Vorrunde dann hoffentlich auf die USA trifft. Diese belegen zusammen mit Costa Rica und völlig überraschend El Salvador (FIFA Platz 100) einen der drei sicheren Plätze in der CONCACAF-Qualifikation. Mexiko (FIFA Platz 26) wäre im Moment nicht dabei.

Nur in Südamerika haben die Kleinen keine Chance. Erster ist nach dem 4-0 in Uruguay jetzt Brasilien, vor Paraguay, Chile und Argentinien, lauter alte Bekannte. Wobei eine WM ohne Brasilien und Argentinien nur die halbe Freude wäre, es sei denn die Brasilianer spielen so gräßlich wie 2006. Oder wäre das zu diskutieren: Lieber miese Brasilianer bei der WM als gar keine? Die Südamerika-Qualifikation ist insgesamt ein bißchen lau. Von zehn Teams qualifizieren sich bis zu fünf, also 50 Prozent. Und es gibt nur eine Gruppe, ein schnarchiger vierter Platz reicht also völlig aus.