Ihre Meinung zu Bild, Herr Heesters?

„Ich kenne noch die Zeiten ohne BILD – fürchterlich langweilig!“ meint der bekannte Greisklassenspieler, und wer weiß: Hätte schon der Völkische Beobachter Deutsche Möpse auf Seite eins gezeigt, vielleicht hätte das Deutsche Reich in Stalingrad sogar gewonnen. Aber nein, das gehört sich nicht. Einen Mann, der in Dachau absichtlich falsch gesungen hat, um den Zweiten Weltkrieg zu verhindern, verspottet man nicht. Er spottet jeder Beschreibung.

Erwartungsgemäß ist die heutige Ausgabe von Bild völlig langweilig, als auch dort Michael A. Roth pflichtschuldig als Nürnberg-Napoleon tituliert wird. Zum Glück gibt es in diesem Land Meinungsvielfalt, welche in einer ausdifferenzierten Presselandschaft zum Ausdruck kommt. Thomas Winkler gelangt in der taz zu einer ganz eigenständigen Sichtweise: Napoleon mag nicht mehr. Und weil auch die Sportberichterstattung der heiligen Dreifaltigkeit von These, Antithese und Synthese folgt, geht die FAZ in ihrem Erkenntnishunger noch einen Schritt weiter: In Nürnberg nennen sie ihn „Napoleon vom Valznerweiher“. Die Eingeborenen selbst also dürfen hier zu Wort kommen, grad so wie sie Ralf Kohl vom Sportclub in Freiburg alle nur Kanzler riefen, damals in den Neunzigern. So, wie Johannes Rau vom VfB Stuttgart von allen nur noch Altbundespräsident gerufen werden wird, sollte es einem Spielberichterstatter grade mal langweilig sein.

Es ist wie es ist: Mike Krüger wird bis zum Jüngsten Tag „Blödelbarde“ sein – bitte immer ohne Artikel schreiben – und „Rock-Röhre“ meint immer nur Tina Turner. Dass man Schwierigkeiten hat, bei Michael A. Roth keine albernen Gedanken zu hegen, liegt nicht nur an seinen 1,63, die ihn 2 cm kleiner machen als das Kopfballungeheuer Maradona, sondern auch an seinem Fränkisch. Wer Fränkisch hört, denkt als erstes an Lothar Matthäus und als zweites an Michael Glos. Vor einem dritten Gedanken schreckt der Zuhörer zurück, und wer die Stellenanzeigen für Gebärdendolmetscher aufmerksam liest, wird immer wieder den Satz finden: Franken werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt. Das hat seine Gründe.

Es wird noch viele, viele Erwin Pelzigs brauchen, um der Welt zu zeigen, zu welchen Hintergründigkeiten und Subtilitäten das Fränkische fähig ist. Klaus Bittermann, in dessen Edition Tiamat so schöne Bücher erschienen sind wie Futebol. Fußball. Die brasilianische Kunst des Lebens von Alex Bellos, ist zum Beispiel in Kulmbach geboren. Dass der Herausgeber der Critica Diabolis im Main-Spessart-Kreis einen Doppelgänger hat, macht es nicht leichter, Vertrauen zum Fränkischen zu fassen. Auch Thomas Gottschalk ist in Bamberg geboren, Henry Kissinger in Fürth.

Zugegeben, die Verpflichtung von Jeff Vliers, der 1979 ganze 48 Tage im Amt war, wird immer ein dunkles Kapitel der ersten Amtszeit von Roth bleiben. Aber zu seinen Personalentscheidungen gehörten auch Magath, Wolf, Meyer und nicht zuletzt Manager Bader. Seit der am 1. Januar 2004 in Nürnberg anfing, kann von Allmacht keine Rede mehr sein. Bereits vorher, als Roth an Augenthaler festhielt und damit den Wünschen der Fans nachkam, war von Größenwahn nichts zu sehen.  Neun Trainer in Roths erster Amtszeit von 1979 bis 1984 ließen sich bei Bedarf immer gegen ihn ins Spiel bringen, aber die Jahre zwischen dem ersten Aufstieg in die Bundesliga 1979 und dem Aufstieg der Höher-Truppe 1985 mit Eckstein, Köpke, Reuter waren fast noch schlimmer als das Jahrzehnt Zweite Liga davor. Nichts stimmte im Verein, der Anspruch nicht, das Sportliche nicht. Roth brachte die Finanzen in Ordnung und hatte dann genug vom Traditionsverein. In den knapp 15 Jahren seit 1994 wurden es dann noch einmal 14 Trainer, wenn man die eine Woche von Interimstrainer Lieberwirth nach der Entlassung von Wolfgang Wolf mitrechnen will. Aber natürlich will man, denn je mehr Trainerentlassungen, desto mehr Napoleon.

Auch an Roths Anzügen nimmt die Meinungsschneidergilde gerne Maß. Wenn er, wie gelegentlich kolportiert wird, in jedem seiner Anzüge einen Zettel hat, auf dem steht, wann er das gute Stück zum letzten Mal getragen hat, dann sollten sich daran nur Leute stören, die Peter Neururer für eine Stilikone halten.

Roths größter Auftritt kam beim letzten Auswärtsspiel gegen Eintracht Frankfurt im April 2008, als Feuerwerkskörper aus dem Nürnberger Fanblock beinahe zu einem Spielabbruch geführt hätten. Roth stellte sich auf das Spielfeld, und auch die Blödesten der Blöden respektierten den Mann, dem sie Mintal, den DFB-Pokal und die Existenz des Vereins zu verdanken hatten. Nürnberg gewann 3-1. In der taz schrieb Frank Hellmann: Als Gagelmann das Spiel wieder angepfiffen hatte, stellte sich Roth für eine geschlagene Stunde vor seine Fans – mit der Gefahr, dass der nächste Feuerwerkskörper ihn getroffen hätte. Ob er keine Angst gehabt habe? „Ich habe doch den größten Teil meines Lebens schon hinter mir“, beschied der 72-Jährige – und lachte. Quel homme.


Die Wahrheit über Charlie Brown (2)

Sie erinnern sich: Baseball, die geheimnisvolle Schönheit unter den Ballsportarten. Gehen Sie zurück zum 2. September, wenn Sie noch gar nichts wissen. Ansonsten geht es heute um die Defensive. Zu den großen Mysterien des Baseball, die schnell deutlich machen, über welche philosophische Tiefe dieser Sport verfügt, gehört die Tatsache, dass die verteidigende Mannschaft zunächst im Ballbesitz ist. Ihre Aufgabe ist es zu verhindern, dass der angreifenden, oder sagen wir besser der Mannschaft, die im aktuellen Spielabschnitt die Chance hat, zu punkten, kein Homerun gelingt. Ein Homerun zählt einen Punkt. Die Verteidiger stehen auf das ganze Feld verteilt, der Catcher an der Homebase, die anderen Basemen an ihren Bases, die Outfielder im Outfield. Outfielder sind die Leute, die unsterblich berühmt werden, wenn es ihnen gelingt, einen Ball der das Stadion bereits verlassen hat, noch zu erwischen, indem sie besonders hoch springen und sich mit dem Fangarm weit nach hinten lehnen. Manch Outfielder ist dabei schon über den Zaun gepurzelt. Mittlerweile gibt es am Ende des Outfields, ca. 100 – 120 Meter weg von der Homebase, fette Knautschkissen, damit das kostbare Humankapital nicht nach jedem spektakulären Rettungsversuch monatelang ausfällt.

Im Infield, da wo sich der Diamant (die Raute) mit den vier Bases als Eckpunkten befindet, gibt es noch einen Spieler, den Shortstop. Sehr allgemein kann man die Funktion des Shortstop mit der Funktion des Doppelsechsers beim Fußball vergleichen. So um die Second Base herum ist immer besonders viel Betrieb im Spiel, soweit das beim eher kontemplativ strukturierten Baseball möglich ist. Da freut sich der Second Baseman, wenn ihm jemand ein bißchen hilft. Bei den Peanuts spielt Snoopy meistens Shortstop, wobei echte Peanutsianer auch andere Kinder aus der Gang kennen, die diese Position gespielt haben. Wenn Snoopy keine Lust auf Baseball hat, fängt er als Shortstop zwar den Ball, sabbert ihn aber so ab dabei, dass jedem anderen die Lust am Spiel vergangen ist.

[Kleiner familienpolitischer Abschweif: Ist jemand schon mal aufgefallen, dass die Generation Peanuts ihre Freizeit zusammen mit vielen anderen Kindern verbringt, das arme Einzelkind Calvin immer nur seinen Stofftiger Hobbes hat? Ende des familienpolitischen Abschweifs.]

Wichtigster Spieler in der verteidigenden Mannschaft ist der Pitcher. Man könnte ihn auch als Werfer bezeichnen, aber krampfige Germanizismen haben beim Baseball nichts verloren. Der Pitcher versucht den Ball so zum Catcher zu werfen, dass der Spieler der Angreifer, der gerade mit dem Schlagen dran ist, keine Chance hat, an den Ball zu kommen. Dazu pitcht der Pitcher Curveballs (ungefähr so etwas wie eine Bananenflanke), Slideballs (Flatterbälle) und Fastballs, die bis zu 170 km/h schnell werden können, obwohl sie natürlich in mph (miles per hour) gemessen werden.

Bei den Peanuts ist Charlie Brown der Pitcher. Beim Pitchen steht er auf einem kleinen Hügel, dem Pitcher’s Mound. Zugleich ist Charlie Brown auch der Manager seines Teams. Er hat die beiden wichtigsten Positionen inne und scheitert zumeist grandios. Stellen Sie sich eine Kreuzung aus Peter Neururer und Tomislav Piplica als Spielertrainer vor. So ähnlich ist Charlie Browns Funktion beim Baseball.

Damit das nicht nur theoretisch bleibt, wenden wir uns wieder dem aktuellen Sportgeschehen zu. Langsam geht die Baseballsaison in den USA in die entscheidende Phase. Es gibt die American League und die National League, in jeder gibt es drei Divisionen (East, Central, West). Warum das so ist, hat mit der Gechichte zu tun. Baseball ist der Sport, der am längsten in professionellen Ligen in den USA gespielt wird. Ganz früher waren das mal zwei Ligen. Die Spitzenreiter der drei Divisionen spielen zusammen mit einem Wildcard Team (dem punktbesten Zweiten aller drei Divisionen) den Sieger der League aus. Die Sieger der beiden Leagues spielen dann die World Series. In der American League heißen die ersten der drei Divisions im Moment New York Yankees (East), Detroit Tigers (Central) und die Oakland A’s (West). A steht für Athletics. Wild Card Team ist im Moment Minnesota.

In der National League sind es die New York Mets (East), der Lokalrivale der Übermannschaft Yankees. In der Central Division ist es St. Louis, im Westen sind es die Los Angeles Dodgers. Wild Card Team sind die San Diego Padres. Die Dogders waren früher die Brooklyn Dodgers und wurden dann nach LA verkauft. In dem etwas heimeligseligen Film “Blue in the Face” von Paul Auster spielt die Dogders-Geschichte eine wichtige Rolle.

Regelmäßige Informationen über MLB (Major League Baseball) aud deutsch finden sich auf dem sehr unterhaltsamen Sportblog “American Arena“ von Jürgen Kalwa.