Zeit der Wunder

Vander kriegt die Note 1, Fahrenhorst die 2,5. Bochum gewinnt das dritte Heimspiel in Serie, Wolfsburg gewinnt auswärts. Hertha erobert erneut die Tabellenspitze, Schalke kommt nach einem späten Ausgleich zurück. Bayern hat das Lachen, ja sogar das Grinsen verlernt. Dortmund tritt auf der Stelle, aber fühlt sich besser als unter Röber, van Marwijk oder Doll. Stuttgart gewinnt ohne ein Tor von Gomez und Cottbus läßt sich auch durch die nächste krasse Fehlentscheidung nicht beirren.

Nach der Heimniederlage gegen Köln lamentierten die Bayern mal wieder, dass sich alle Mannschaften immer nur hinten rein stellen würden, gestern waren sie 75 Minuten lang gegen offensive Bremer nicht in der Lage, taktisch dagegen zu halten. Ein bißchen Ribéry, sehr viel Ze Roberto, bei dem es Spaß macht zuzusehen, das war’s. Auch wenn sie unter der Woche in der CL ein wenig Balsam auf ihre geschundene Seele träufeln durften, in der Bundesliga gab es wieder nur Balsamico. Platz fünf und zwei humorlose Verfolger im Nacken, gegen die noch gespielt werden muss.

Bleibt die Frage, wer Meister wird. Am Ende gar Wolfsburg, das durch seine soliden Heimauftritte die Grundlage für den Höhenflug gelegt hat und mit Magath einen gewieften Taktiker als Trainer besitzt. Vergangene Woche lobte ich Jol, aber seine ungestümen Stürmer verfingen sich in den italienischen Leimruten, die Magath kunstvoll zurecht gelegt hatte. Dzeko und Grafite sind ebenso unbekannt wie unberechenbar. Aber das war Berbatov auch, bevor er in der Premier League zum Superstar wurde. Oder vielleicht Hertha, das mittlerweile selbst die wackeligen Spiele gewinnt und nervlich lange vom Bohei um Hoffenheim profitiert hat. Oder doch der HSV, der die Tabellenspitze am 34. Spieltag erobern müßte, damit er sie am 35. nicht zu verteidigen bräuchte. Gestern liefen Bremen-Bayern und HSV-Wolfsburg parallel auf zwei Fernsehern, was hohe Anforderungen an das Multitasking stellte. Wenigstens spielten die von mir favorisierten Teams Bremen und der HSV beide in hellen Trikots, wenn auch gegenläufig: der HSV in Halbzeit zwei von links nach rechts, Bremen von rechts nach links. Sehr schön war die taktische Abgeklärtheit der Bremer zu sehen, die das Tempo verlangsamten, ohne den Druck abzuschwächen, der HSV dagegen nur gut in der Balleroberung, spielte seinen Ballbesitz viel zu selten zu Ende, immerzu schnell und lang nach vorne.

Überraschend ist, dass der ansonsten so top geführte Club Hoffenheim von den Dopingregeln nichts gewußt haben will. Bei der geballten Fachkraft von Rangnick, Schindelmeiser und Peters, letzerer Olympia-erfahren, hätte doch einer seine Fürsorgepflicht den Spielern gegenüber wahrnehmen sollen. Aber sich wundern hilft nichts, in der Zeit der Wunder ist alles möglich.

Hoffenheim und Bayern – Wer hat den längsten…Kontoauszug?

Bin gespannt, was The Next Uri Geller in der Säbener Straße noch alles so hinbiegt. Insgesamt wirkt die Mannschaft nach wie vor recht volatil. Knackpunkt für die nicht völlig verhunzte Hinrunde war das 4:2 gegen Wolfsburg nach 0:2. Da haben sie gut dagegen gehalten. Borowski hat sich als wichtiger Neuzugang gezeigt. Warum der in Bremen gehen mußte, verstehe ich so wenig wie Hamits Abgang auf Schalke. Mit Arsenal, Barca oder ManU hat der FCB trotzdem nichts zu tun, aber dass Klinsmann ein guter Einpeitscher ist, wissen wir ja durch Sönke Wortmann. Ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass man mit dieser Abwehr (und diesem Torwart) die CL gewinnt. Nicht zuletzt, weil jetzt die Auswärtstoreregel greift. Und die Meisterschaft? Es wird enger als letztes Jahr, und die große Abhängigkeit von einem Spieler, nämlich Froonck, findet man ansonsten nur bei deutlich schlechteren Vereinen. Bei Bielefeld und Wichniarek, Hertha und Pantelic, bevor Favre kam. Das 2:2 gegen Stuttgart zeigt, dass man die Big Points in der Hinrunde immer wieder nicht gemacht hat, das letzte Quantum fehlt.

Die Vorbehalte gegen Hopp kann ich nicht verstehen. Er ist der Gegenentwurf zu den Großinvestoren, die mal eben so einen Verein kaufen. Regional engagiert seit vielen Jahrzehnten hat er mit Schindelmeiser, Peters und Rangnick drei hervorragendene Fachleute angeworben und ihnen Zeit gegeben. Die permanenten Stänkereien von Hoeneß und Rummenigge gegen die angeblich zu hohen Transfersummen sind Ausdruck tiefsitzender Verunsicherung. Hoffenheim ist ein Team von Nobodys und ehemalig Gescheiterten. In der Winterpause hat der Verein den einzigen Schwachpunkt verbessert und mit Hildebrand einen hervorragenden Torhüter ablösefrei verpflichtet. Sanogo kostet 250000 Euro Ausleihe. Beide sind kluge und präzise Verstärkungen. Klar, dass Bayern da von Wettbewerbsverzerrung redet. Die Eigengewächse Breno und Oddo werden dort seit zwanzig Jahren behutsam aufgebaut. Die Verletzung von Ibisevic ist für die Statistikfreaks schlimmer als für die TSG. Ich behaupte, im schnellen Systemfußball der Hoffenheimer kann jeder andere Offensivspieler die Tore machen, die Ibisevic gemacht hat. Die meisten fielen zwangsläufig, aus struktureller Überlegenheit heraus. So ähnlich wie beim SC Freiburg in seinem besten Jahr. Weshalb ich auch das Prädikat Weltklasse in der kicker-Rangliste für Ibisevic nicht verstehe. Weltklasse ist ein Tor wie das 1:1 von van Niestelrooy gegen Deutschland bei der EM 2004. Wörns klebt an seinem Rücken, Van the Man steht mit dem Rücken schräg zum Tor. Und blind und an Kahn vorbei im Synchronsprung mit Wörns schießt RVN den Ball über seine Schulter ins Eck. Tore machen, die man eigentlich nicht machen kann, das zeichnet einen Ausnahmestürmer aus. Wenn Sanogo die Streicheleinheiten bekommt, die er braucht, wird er die Laufwege bald so verinnerlicht haben wie sein Vorgänger. Und Tore machen wie Ba und Obasi. Unterm Strich ist Hoffenheim mit Hildebrand und ohne Ibisevic stärker als in der Hinrunde. Ein 5:4 wird es nicht mehr geben. Ein 1:0 wird öfters reichen. Der Rest ist Nervensache.