Leere Ränge – volle Punktzahl

Finanziell ist der Zuschauerausschluß für Nürnberg vermutlich eine Bestrafung, sportlich erweist sich die gähnend leere Nordkurve als wirksame Motivationshilfe. Sieg gegen die Roten Teufel, Sieg gegen die Rote Brause. Die komplett neu zusammengefügte Mannschaft scheiterte gegen Düsseldorf und den FSV Frankfurt nicht an ihren mangelnden Fähigkeiten, sondern am Erwartungsdruck.

Sofortiger Aufstieg lautet das Saisonziel. Sofortig, das heißt, spätestens in der Relegation, die im fernen Mai 2015 stattfinden wird. Für den Fan heißt sofortig: jetzt, auf der Stelle, am besten am ersten Spieltag gegen Aue. Gegen die gab es am ersten Spieltag zwar einen Sieg, aber das Nervenflattern war zu spüren. Dann kam das 1-5 gegen Fürth, gegen die beste Mannschaft der Vorsaison, die nicht aufgestiegen war, und seitdem saßen die Fans auf ihren Schalensitzen oder standen in der Kurve und nahmen übel. In erster Linie nahmen sie immer noch den Abstieg übel. Ob er vermeidbar, peinlich, überflüssig war, darüber kann man diskutieren. Wer bei so einem Schneckenrennen wie an den letzten acht Spieltagen keinen einzigen Punkt holt, der wird seinem Ruf als Depp durchaus gerecht.

Andererseits: Wenn man sieht, wie Bayern und Dortmund rumjammern, wenn zwei oder drei Stammspieler fehlen, war es vielleicht am Ende vor allem das Verletzungspech. Bis zu acht Stammspieler musste der Club ersetzen, nicht mal Wiesinger kann man das anlasten. Gut, die Spieler (Mannschaft war das nicht mehr) wirkten am Ende innerlich unbeteiligt, aber Braunschweig, das von allem zu wenig hatte, außer von den Emotionen, stieg auch ab.

Gestern gegen Leipzig war eine ganz andere Nähe zwischen Spielern und Trainer zu sehen. Nicht nur, dass Valérien Ismaël jeden seiner ausgewechselten Spieler umarmte, auch auf dem Platz gab es viele ermunternde Gesten, im Lauf- und Grätschduell gegen Rangnicks Millionentruppe. Nebenbei: Ich halte RB nicht für den Untergang des Fußballs. Die Traditionsvereine, die die Neuankömmlinge als zu klein oder zu künstlich beschimpfen, scheitern nicht an den solventen oder klug agierenden Konkurrenten. Solange 1860, St. Pauli, Kaierslautern sich selbst im Weg stehen, ist Platz für Augsburg, Hoffenheim, Paderborn.

Zurück zum Club. Nicht nur bei der Torwartfrage hat Ismaël in den letzten Wochenein gutes Händchen bewiesen. Platzhirsch Schäfer war die erste Option. Als es nicht lief, kam der Tausch. Rakovsky hat gewisse Eigenwilligkeiten (Fangtechnik, Fausten), aber er spielt gut, und wird noch sehr viel besser werden. 2007/08 gab es eine ähnliche Konstellation. Nach dem Weggang von Schäfer hätte eigentlich Pokalheld Klewer die erste Chance erhalten müssen. Meyer entschied sich für den neuen Mann Blazek. Der patzte im ersten Spiel gegen Schalke (0-2), und die Mannschaft fand nie mehr die richtige Balance und Hierarchie. Wenn Klewer die (erste) Nummer Eins gewesen wäre, wäre der Club vermutlich nicht abgestiegen. Schäfer ist kein Stinkstiefel und wird sich jetzt, ähnlich wie Pinola, als Elder Statesman hilfreich in die neue Hierarchie einfügen.

Mit einem Mal steht auch der vielgeschmähte Manager Bader ganz anders da. Zum einen hat er mit Wolf und Polak zwei alte Leistungsträger zurückgeholt. Zum anderen hat er für wenig Geld einige wirklich sehr gute Leute geholt. Vor vier Wochen wurden Schöpf, Ramirez, Füllkrug noch als Fehleinkäufe abgestempelt, in der Winterpause wird man sich fragen, ob der Club sie halten kann. Die Frage wird sich auch bezüglich des Trainers stellen. Aber ich habe das Gefühl, dass uns die Konstellation Bader, Wolf, Ismaël und Mintal über das Ende dieser Saison hinaus erhalten bleiben wird.

Die klugen Fische fressen die dummen

Sandhausen in Liga Zwei, Augsburg, Freiburg und Fürth ganz oben, Paderborn kommt vielleicht noch dazu. Man braucht keine großen Namen, keinen großen Etat und schon gar kein großes Ego, um oben mit dabei zu sein. Man braucht einen klaren Plan, Geduld und ein gutes Funktionsteam. Wer jetzt darüber jammert, dass die Liga durch die No-Names weniger attraktiv wird, der soll erklären, was an dem „Klassiker“ Hertha gegen Kaiserslautern vor einer Woche attraktiv war. Es war ein Grottenkick wie so viele andere auch, die die letzten Drei aus dem Oberhaus in dieser Saison gezeigt haben.Wobei man da noch differenzieren muss zwischen dem FCK, der mit Kuntz und Kurz in den Jahren davor tolle Arbeit geleistet hat und dann am Verletzungspech und den nur mittelprächtigen Transfers scheiterte, während in Köln und Berlin diverse Hofintrigen und Selbstüberschätzung an den Rand des Abgrunds führten.

Fürth hat im Pokal vor Millionenpublikum bewiesen, dass es gegen die Mannschaft mit dem attraktivsten Fußball in Deutschland spielerisch mithalten kann. Freiburg wird im kommenden Jahr das neue Gladbach und Augsburg bleibt das schwäbische Cottbus, ein Alptraum für jede Mannschaft, die nur spielerisch an die Sache rangeht. Wenn man sich so blöd anstellt wie die Verantwortlichen an Rhein und Spree, dann ist das Legendenfegefeuer Zweite Liga halt um ein paar Attraktionen reicher.

Sollte Paderborn tatsächlich aufsteigen, hätten lediglich die Aufsteiger aus der Dritten Liga, Aue, der FSV Frankfurt, Union und Ingolstadt keine Erstligaerfahrung. Das wird den Einschaltquoten am Montag Abend gut tun, aber von München, Düsseldorf und Duisburg kann man dann nur staunend und neidisch nach oben blicken und wieder mal den Vorschlag aufwärmen, dass Traditionsvereine bei der Geldvergabe bevorzugt werden müssten. Geld, das dringend benötigt wird, um geschassten Trainern oder Managern ihre horrenden Abfindungen zu bezahlen.

You’ll never blog alone

Es war sehr angenehm, den Samstag in München mit den anderen Bloggern zusammen zu bringen. Für den Umtrunk danach mußte ich leider passen, da war ich schon wieder auf dem Weg zurück nach Berlin, es gab längst vereinbarte Sonntagsarbeit zu verrichten.

Blogger probek ist zwar Bayern-Fan, ich muss das jetzt so hart formulieren, er zeigte mir aber nicht nur den Paulaner und das Straßenschild vom Kurt-Landauer-Weg, sondern kennt sich auch mit Kino sehr gut aus. Kurt Landauer war bis 1933 Präsident des FC Bayern, als Jude im KZ Dachau inhaftier und war nach der Befreiung weitere vier Jahre Präsident.  Probek, der Kaisergrantler, die eine Hälfte von soccr.de und das Fernglas FCB durften sich dann über eine Deutsche Meisterschaft und drei Müller-Tore freuen. Der frühere Müller, der Bomber der Nation war kurz vor Spielbeginn zu Besuch und ließ sich geduldig fotografieren. Wenn er tatsächlich alle achtzig Ehrenlogen besuchte, ist er vor diesem Spiel vermutlich mehr gelaufen als in den meisten Spielen seiner Karriere.

Die Clubberer, die andere Hälfte von soccr.de, die beiden Kollegen von Clubfans-united sowie agolnaihaua, was auf fränkisch so viel heißt wie „einen treffer erzielen“, versuchten angesichts von einem 0-3 in Hamburg nach nicht mal dreißig Minuten die Contenance zu wahren. Schlimmer als 1999 (Fjörtoft, Berger, Freiburg, Chronik einer angekündigten Abstiegsfeier) könne es nicht werden, da waren wir uns einig. Der Bochumer Kollege von 18:48 merkte äußerst listig an, dass das 3-1 von Fuchs in München ganz entscheidend werden könnte. Wohl wahr, der Club hat an einem Spieltag neun Tore gegenüber Hannover und 2 gegenüber Bochum verloren. Dem Gladbacher von Entscheidend is auf’mPlatz konnte man da auch keinen Vorwurf machen.

Obwohl meine Sympathie kein Geheimnis ist: Petric ist ein richtig geiler Spieler ist. Deshalb wird er von Hoffmanns Gardinenneu bestimmt Ende Juli auch wieder vertickt.

Währenddessen sahen die Herthaner von mauertaktik und Szenenapplaus auf einem der vierfach parallel bestückten Bildschirme das 1-1 von Kießling gegen den Hauptstadtverein, der damit endlich tschüssikowski sagen durfte. Die Durchhalteorgie der Berliner Medien war nicht auszuhalten. Seit Harald Juhnke ist ein Sterbenskranker nicht mehr so abgefeiert worden. Seit Weihnachten versprachen die Herthaner  mehrmals täglich „jetzt noch einmal alles zu geben“, und nichts, NICHTS ist passiert. Selbst gegen den Club haben sie sich zu blöde angestellt. Vielleicht sehen wir uns bald in der Zweiten Liga wieder, dann muss „Heimsieg“ an der Spree nicht mehr auf der Roten Liste ausgestorbener Wörter geführt werden. Es gibt ja den FSV Frankfurt, Osnabrück, Aachen.

Die beiden VfB-Fans von angedacht und Brustring erlebten einen Dämpfer ihrer in den letzten Wochen so großartig aufspielenden Schwabenpfeile. Wer nach so einer Hinrunde allerdings noch international spielt, dürfte nicht allzu geknickt sein.

Fein raus waren die Neutralen, die sich auf ihren Websites nicht sogleich als Fan eines bestimmten Vereins zu erkennen geben: Abenteuer Fußball war doppelt vertreten, mit Trainer Baade konnte ich ein paar freundliche Worte wechseln, von Stadion-Wurst hätte ich eigentlich eine Bewertung der leckeren Speisenfolge erwartet, ohne Wurst und außer Konkurrenz, genau so wie von den soccer-warriors, die ansonsten Fritten, Fußball und Bier bevorzugen. Meiner Aufmerksamkeit entging leider völlig der sportmedienblog, was auch daran liegt, dass die Autoren vor allem unter ihrem Blog, selten unter ihren Pseudonymen, so gut wie nie unter ihren echten Namen bekannt sind. Die korrekte erfolgte dann auch ähnlich wie bei Fahrenheit 451 von Truffaut: „Guten Tag, ich bin Stadionwurst.  – Sehr erfreut, mein Name ist Mauertatktik“.

Auf  der Tribüne twitterten und bloggten einige von uns um die Wette, hinten in der Lounge gab es das Spiel der Bayern noch einmal auf dem Bildschirm (tatsächlich 3-1), dazu Schalke – Bremen und auf besonderen Wunsch der mittelfränkischen Sado-Maso-Fraktion HSV-FCN. Und natürlich die Konferenz. Liga Total gibt einem die Möglichkeit, die Tabelle live einzublenden, außerdem gibt es einen Schnipsel-Ticker, das heißt, wenn man eigentlich gerade HSV-FCN schaut und dann im Ticker auf einen Eintrag anklickt, kriegt man gleich eine aktuelle Spielszene aus einem anderen Stadion zu sehen, das 4-0 von Hannover zum Beispiel. Nein, das Gerät ist nicht kaputt, es war tatsächlich Hanke. Außerdem kann man sich sein Spiel auf der Festplatte aufzeichnen, um seine Kinder später damit zu erschrecken, und noch am gleichen Tag auch die anderen Spiele in voller Länge sehen. Doppelflat für Surfen und Festnetz sind sind im Paket mit dabei, das mit Recorder bei etwa 50 Euro anfängt. Eigentlich gar nicht so kostenungünstig, allerdings gehe ich lieber in die Kneipe, sonst hinge ich nur vor der Glotze. Und 70 Fernsehsender brauche ich eigentlich auch nicht, 18 Vereine reichen völlig aus.

Insgesamt eine bunte Runde, nullkommanullgendergemainstreamt und sachkundig bis unters Blasen werfende Dach der Allianz Arena. Man sieht sich, man schreibt sich, man liest sich.