Keine besonderen Vorkommnisse

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Das Lamentieren über die Langeweile in der Bundesliga darf man sich getrost sparen, solange die Maschinerie zur Beweihräucherung und Bevorzugung des FC Bayern weiterhin so ungebremst läuft wie auch in dieser Saison. Das letzte traurige Beispiel war das Spiel in Wolfsburg, als die notorische Schlägertype Franck Ribéry wieder einmal keine Rote Karte sah. Zwei Elfmeter, die man nicht geben muss, aber gibt, wenn es um die Bayern geht, leisteten tätige Mithilfe.

Ja gut, werden die Bayern-Claqueure jetzt im Geiste ihrer im Dunkeln des WM-Sumpfes abgesoffenen Lichtgestalt sagen: Spielt denn der FCB nicht wieder unwiderstehlich unter Jupp Heynckes? Tut er nicht. Drei krass verpfiffene Spiele in einer kritischen Phase und pausenlose mediale Begleitmusik reichten aus, um aus einer leidlich spannenden Saison das übliche Weihfestspiel in Rot und den Rest der Liga gefügig zu machen. Heynckes nahm auf der Trainerbank im Oktober 2017 nach einem 2-2 zuhause gegen Wolfsburg Platz. Gemessen am Spiel vom Samstag sind die sportlichen Fortschritte gegen diesen Gegner überschaubar, aber anders als im Hinspiel gab es diesmal einen Gnadenpfiff.

Drei verpfiffene Spiele und die Saison kippt

Mit Heynckes gewann der FCB die ersten drei Spiele gegen Freiburg, in Glasgow und beim HSV. Ganz regulär übrigens, so wie vor ein paar Wochen im Pokal in Paderborn. Die erste große Herausforderung, das Pokalspiel in Leipzig, brachte auch die erste saisonentscheidene Wettbewerbsverzerrung: Schiedsrichter Felix Zwayer war so hemmungslos großzügig in seinen Fehlentscheidungen zugunsten des FCB, dass sogar der kicker nicht anders konnte, als ihm die Note 6 zu geben. Die im Pokal überlegenen Leipziger wurden kalt ausgebootet und verloren den Vergleich in der Bundesliga mit 2-0. Bayern war Tabellenführer, auch weil das Kirmesgebolze von Borussia Dortmund unter Peter Bosz mittlerweile nicht nur von Nikosia ausgehebelt werden konnte. Nur ein Spiel, aber ein entscheidendes. Wie anders wäre die Ausgangssituation nach einer Pokalniederlage in Leipzig gewesen. Nach den beiden Siegen gegen den härtesten Verfolger war Die Legende vom Unbesiegbaren Jupp geboren. Und fast alle quatschten sie bereitwillig nach. Als der FCB nach einem berechtigten Elfmeter für die Borussia in Gladbach verdient verlor, konnte man es so hindrehen, dass sich Heynckes am Niederrhein irgendwie selbst besiegt hatte. Wirklich verloren hatte er nicht, denn alle haben ihn dort lieb. Im Heimspiel gegen Hannover am 14. Spieltag wurde 96 von Guido Winkmann ein Elfmetertor aberkannt, weil Spieler in den Strafraum gelaufen waren. Das passiert bei jedem Elfmeter in der Bundesliga. Beim Elfmeter von Lewandowski in Wolfsburg waren zwei Bayern-Spieler im Strafraum, Alaba fast am Elfmeterpunkt, Rudy bereits etwa zwei Meter in der Box. Aber Regelkunde interessiert keinen, wenn der FCB gewinnt. Beim 1-0 gegen Frankfurt am 15. Spieltag bekam Schiedsrichter Harm Osmers im kicker die Note 5: „Vidal hätte Rot sehen müssen.“ Als Heynckes „mein Arturo“ sagte, erinnerte er an die Mutter eines Mafiosi, die überzeugt ist, ihr Sohn sein ein braver Junge. Vidal ist ein skrupelloser Treter. Jeder weiß es, jeder lässt ihn gewähren. Drei Spiele mit gravierenden Fehlentscheidungen und am Ende der Rückrunde hatte der FC Bayern 11 Punkte Vorsprung. Die üblichen Unterwerfungsformulierungen Meisterschaft ist entschieden, Keine wirkliche Konkurrenz durften aus dem Stehsatz hervorgeholt werden.

Spielbericht ODER scripted reality

Geschenkt hat man dem FCB nicht nur 4 bis 6 Punkte und das Weiterkommen im Pokal, sondern auch den unschätzbaren psychologischen Vorteil, von der eigenen Überlegenheit überzeugt zu sein. Andere Trainer müssen ihre Mannschaft stark reden, was häufig auch funktioniert. Für den FCB übernimmt das dienstfertig und servil der größere Teil der Berichterstattung. Muss der Kommentator auf DAZN im Fünf-Minuten-Zusammenschnitt von Wolfsburg-Bayern wirklich viermal „der große FC Bayern“ sagen? Glaubt er das? Ist es ihm eine Ehre? Was ist das für ein journalistisches Selbstverständnis? Oder ist es schon scripted reality?

Die jetzige Mannschaft ist sportlich und taktisch ein Schatten von 2013 und quält sich seit Wochen durch die Spiele. Ohne Anbetungsritual im weiten Rund, würde sie sich noch schwerer tun. Weil Heynckes ein Auslaufmodell von gestern ist, wirkt die große Zahl junger und sehr junger gut arbeitender Konzepttrainer anderswo extrem peinlich. Ob Kovac/Bobic, Tedesco/Heidel, Nagelsmann/Schröder, Baum/Reuter, Herrlich/Völler und vor allem Hasenhüttl/Rangnick, es gibt eine ganze Reihe von Vereinen, deren Verantwortungsträger deutlich überzeugender auftreten als der larmoyante Tegernseer Bauernstadl, dieses unwürdige Geschleime um die Vertragsverlängerung. Heynckes ist ein weiser Mann. Er weiß genau, dass seine Zeit bald enden wird, aber wer sagt es dem Uli? Der Brazzo, der Kalle, der Williiii, wo immer er auch sein mag?

Mehmet Scholl, als Trainer eine gescheiterte Existenz

Der kicker sagt es ihm nicht. Der hat mittlerweile schon zwei Hochglanzberichte über das neue Nachwuchszentrum des FCB lanciert und keinen Zweifel daran gelassen, dass hier und nur hier die Jugendarbeit erfunden wurde. Und jetzt kommt auch noch Mehmet Scholl und drischt auf die junge Trainergeneration ein. Scholl ist wie Effenberg und Matthäus als Trainer eine gescheiterte Existenz. Der Maulheld von der Mattscheibe versucht diesen Umstand dadurch zu kaschieren, dass er den Nachwuchs schlecht redet, solange der FCB noch keinen Trainer gefunden hat. Und vielleicht auch deshalb, weil einige der Jungen wissen, dass sie beim FCB zwar mehr Geld, aber nicht die besten Arbeitsbedingungen vorfinden.

Es gibt ein paar einfache Regeln, wie die Bundesliga wieder spannend werden kann:

  • Glauben Sie der Legende von der Unbesiegbarkeit und Überlegenheit des FCB nicht und plappern Sie sie nicht nach. Jeder kann die Bayern schlagen.
  • Schmeißen Sie die Bayerntreter und -schläger konsequent vom Platz und sperren Sie diese solange, dass es sich für den Verein nicht mehr rechnet, andere Spieler als Freiwild zu behandeln.
  • Finden Sie Fußballexperten, die nicht das Trikot des FC Bayern getragen haben, um dieser geistigen Inzucht ein Ende zu bereiten.
  • Haben Sie Respekt für die mutige und intelligente Aufbauarbeit von Vereinen wie Freiburg, Augsburg, Mainz und Hannover und den schönen Fußball von Leverkusen, Leipzig und Schalke.
  • Pfeifen Sie nach den Regeln.
  • Sorgen Sie für Wettbewerb durch gleiche Wettkampfbedingungen für alle.

Es könnte spannend werden.

Lieber Platzverweise als altersweise

Acht Platzverweise an einem Spieltag, was lernst uns das? Vielleicht haben die Schiri-Obleute ja nach Baumjohanns nicht mit Rot geahndetem Wischer bei Nürnberg gegen Hertha schnell ein Brandbrieflein an die Kollegen draußen auf dem Spielfelde geschickt, mit dem Tenor: Erst zücken, dann Fragen stellen.

Der Krösus war bei Hoffenheim gegen Freiburg Tobias Stieler mit zweimal Rot, einmal Gelb-Rot und einem Innenraumverweis für Freiburgs Trainer Streich als Sahnehäubchen. Der Platzverweis gegen Coquelin war glatt falsch, den Platzverweis von Streich hat er damit induziert. Streich schimpfte zwar emotional wie immer, ich habe aber schon Trainer gesehen, die sich schlimmer aufgeführt haben und im Innenraum bleiben durften. Außerdem war Streichs Ansprechpartner der Vierte Mann, der unter anderem dafür da ist, dass Trainer Dampf ablassen. Zusammen mit der nicht gegebenen Roten Karte gegen Sorg bekam Stieler im kicker die Note 4,5.  Auch Schiedsrichter Welz in Augsburg gegen Stuttgart bekam die Note 4,5. Anstelle des überzogenen Rot für Traoré hätte er Verhaegh vom Platz stellen müssen. Note 4 gab es für Dankert in Hannover gegen Schalke. Dessen drei Platzverweise gegen Höwedes, Huszti und Fuchs waren allesamt vertretbar, nur ein rotwürdiges Foul von Hoogland gegen Diouf hatte er übersehen.  Eine 2,5 bekam Kinhöfer bei Mainz gegen Wolfsburg, der nicht nur mit Gelb-Rot gegen Luiz Gustavo richtig lag.

Beim genauen Hinsehen ist nicht so sehr die Kartenflut das Problem, nur zwei der acht Platzverweise (Coquelin, Traoré) waren falsch, sondern die wackelige und widersprüchliche Spielführung. Stieler in Sinsheim hatte zusätzlich das Problem, dass er in der 11. Minute, also zu einem sehr frühen Zeitpunkt korrekterweise Rot gegen Salihovic zeigen musste. Ab da war jeder Zweikampf aus Sicht der Zuschauer eines Platzverweises würdig.

Eine ähnliche Konstellation bot das denkwürdige WM-Achtelfinale Portugal – Holland 2006, auch als „Schlacht von Nürnberg“ bezeichnet. Von Anfang an ging es knüppelhart zur Sache, nach einem brutalen Foul musste Ronaldo ausgewechselt werden. Ende der ersten Halbzeit gab es Gelb-Rot gegen Costinha. In Halbzeit zwei folgten eine weitere Gelb-Rote und zwei Rote Karten, dazu kamen acht Gelbe Karten. Auch hier war es die unklare Linie, die das Spiel aus dem Ruder laufen ließ: Schiedsrichter Ivanov „hatte das Spiel durch falsches Strafmaß nicht im Griff“, schrieb der kicker.

Trainer in der Pressekonferenz sagen über harte Platzverweisen manchmal gerne: Wenn man das pfeift, stehen am Ende fünf Mann auf dem Platz. Nach diesem Spieltag bin ich geneigt zu sagen: Na und? Dem Spielniveau tat die Kartenflut keinen Abbruch: Hoffenheim – Freiburg bekam die Note 1, Hannover – Schalke sowie Mainz – Wolfsburg eine 2,5, Augsburg – Stuttgart immerhin eine 3. Für die beiden letzten Teams war es die beste Saisonleistung.

Bin gespannt, was bei den Roten Karten als Strafmaß rauskommt. Bei Salihovic war es die vierte Rote Karte und es war eine klare Tätlichkeit. Dass er vorher geschubst wurde, lag daran, dass er den Ball nicht herausrückte. Er hat die Rudelbildung provoziert.

In den Spielen ohne Platzverweis schnitten die Schiedsrichter so ab: Zwayer (Dortmund – Bremen) Note 2, keine Karte, kein Elfer. Stark (Braunschweig – Frankfurt) Note 2, drei Gelbe Karten, kein Elfer. Fritz (Hertha – HSV) Note 3, fünf Gelbe Karten, kein Elfer. Brych (Leverkusen – Gladbach) Note 5, falscher Elfmeter gegen Gladbach, eine Gelbe Karte. Nach den beiden in München bereits der dritte Elfer im dritten Spiel, über den sich streiten läßt. Die Note 6 bekam Schiedsrichter Dingert im Spiel Bayern gegen Nürnberg, der Pinolas Rempler gegen Mandzukic nicht als Elfmeter pfiff, dafür vor dem Elfmeter für Bayern ein Handspiel von Nilsson gesehen haben wollte, wo keines war. Auch ein rotwürdiges Foul von Mandzukic an Dabanli hatte er übersehen. Wenigstens die Gelbe Karte für Ribery fürs Trikot ausziehen war korrekt.

Fazit: Viele Platzverweise machen weder die Schiedsrichterleistung noch ein Spiel per se schlechter. Die Referees sollten mit der Mindestzahl von sieben Spielern pro Team noch offensiver umgehen. Fehlentscheidungen wie der Platzverweis gegen Coquelin werden dadurch nicht besser, aber die Schubser, Treter, Schläger und Rudelbildner bekommen dadurch längere Denkpausen.