Da waren’s nur noch neun

Gestern ist der Vorsprung der Dortmunder auf Platz zwei zum ersten Mal seit dem 14. Spieltag wieder in den einstelligen Bereich gerutscht. Neun Punkte, acht Spieltage, 18 Tore Vorsprung, ob das noch einmal eng wird? 24 Punkte sind noch zu vergeben. Wenn Bayer alles gewinnt, darf Dortmund nicht mehr als 14 Punkte holen, also vier Siege und zwei Unentschieden in den letzten acht Spielen. Oder Dortmund verliert nur noch und Bayer reichen drei Siege und ein Unentschieden. Beides klingt unwahrscheinlich, aber was ist in dieser Saison schon wahrscheinlich?

Gegen Bayer spricht der Status des ewigen Vizekusen, den sie gegen Villareal mal wieder aufs Schmerzlichste bestätigt haben. Aber unter Heynckes hat Bayer auch das späte Siegen gelernt, Mainz ist dafür ein gutes Beispiel. Sie sind nervenstärker geworden. Seit Watzke nach dem 3-1 in München erstmalig offen von der Meisterschaft sprach, hat der BVB etwas zu verlieren, sollte er Zweiter werden. Bisher war die Rolle des Gejagten sehr abstrakt, oszillierte der Punktevorsprung doch stets zwischen zehn und zwölf Zählern. Jetzt kommen am nächsten Wochenende die Mainzer, mit neun Auswärtssiegen drittstärkste Mannschaft auf Gegners Platz. Wahrscheinlich muss danach ein neuer Rasen verlegt werden, weil die gelben-schwarzen Duracell-Häschen gemeinsam mit den Mainzelmännchen auf Speed das zarte Frühlingsgrün in Grund und Boden laufen werden. Verlöre Dortmund zu Hause, könnte Bayer sogar ein Punkt gegen Königsblau näher an die Spitze bringen.

Apropos Schalke. Das klärende Gespräch unter Männern zwischen Magath und Tönnies musste wegen Erkältung des SelbstHautdarstellers am Wochenende entfallen, jetzt kommt es am Mittwoch zum Showdown. Bevor sie ihren Quälix vom Hof jagen, könnte ein klärendes Telefonat unter Männern mit den Verantwortlichen in Hamburg vielleicht die Gemüter abkühlen. Beim HSV erfährt man Tag für Tag, wie es sich anfühlt, wenn man sportliche Kompetenz vom Hof jagt, ohne einen Plan B zu haben. Der Dino hat neun Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, in diesem Fall wären acht Niederlagen am Stück keine große Überraschung. Hansosaurus Rex: kleines Gehirn, langsame Reaktionszeiten, falsche Ernährung – den Rest besorgte die Evolution.

Schalke hat immerhin Heldt in der Hinterhand, aber mittlerweile weiß man, dass Slomka und Rangnick zu schnell entlassen wurden, und auch Heldt kann keinen Meistergaranten aus dem Hut zaubern. Vielleicht sollte man wenigstens die CL-Auslosung noch abwarten. Wenn Schalke Barca oder Manchester United zugelost bekommt und dann mit dem neuen Coach rausfliegt, kann der eigentlich gleich wieder seine Sachen packen. Wie gesagt, eine Entlassung von Magath wäre in meinen Augen völlig verrückt, jetzt hat sogar Charisteas getroffen. Wahrscheinlich trifft Karimi gegen die Bayern, wenn Magath ihn noch einwechseln darf.

Nach der Niederlage der Dortmunder ist Nürnberg das beste Rückrundenteam. Der Sieg in Wolfsburg war glücklich, aber die torgefährliche Defensive ist ein Pfund in dieser Saison. Wollscheid, Wolf, Pinola und jetzt Nilsson, alle mit wichtigen Toren. Gegen Bremen könnte das Saisonziel 44 Punkte erreicht werden. Und dann? Platz drei ist nur fünf Punkte weg. Und gegen Bayern, Mainz, Dortmund und Hannover spielt der Club noch.

Das antiquierte Sport-Studio

Am Samstag seit Menschengedenken mal wieder das Sport-Studio im ZDF gesehen. Ich kam zu spät zur Konferenz auf Sky, weil ich gerade an meinem neuen Krimi arbeite, der wieder bei Rotbuch erscheint, und konnte gerade noch sehen, wie Eigler sein 3-0 bejubelte. Nach sechzehn Minuten 3-0. Trotzdem hatte ich auch für die Sportschau keine Zeit. Also um elf dann rein ins ZDF, rein in eine bittere Enttäuschung.

Erst gab es ein hochnotpeinliches Interview mit Heynckes, in dem man auf Bunte-Niveau alle Ballack-Gemütszustände durchhechelte. Als Heynckes nach der vierten oder fünften überflüssigen Frage einzuwenden wagte, seine Mannschaft habe gegen Wolfsburg soeben überragend gespielt, wischte der Interviewer dies mit „Dazu habe ich Ihnen doch gratuliert.“ vom Tisch. Die Gratulation als Disclaimer und danach kann hemmungslos am Thema vorbei gefragt werden? Ein Glückwunsch ist doch kein journalistisches Arbeiten. Als ob es zu dem Spiel und zu Bayer nicht einiges zu fragen gegeben hätte. Der Vergleich zur Vorsaison, als man nach 25 Spielen ohne Niederlage doch noch in die Europa League abstürzte. Mittlerweile hat man schon viermal verloren, Hyypiä spielt keine Übersaison, Kießling wird nicht Torschützenkönig werden und trotzdem wirkt man gefestigter.

Dann gäbe es da noch die Form von René Adler, der mit einem Notenschnitt von 2,94 im kicker den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird und sich zusammen mit Wiese bald hinter Rensing wieder finden wird, wenn der weiter so toll hält. Oder die starke Leistung von Lars Bender, die für sich allein bemerkenswert ist, und nicht, weil Ballack wegen ihm nicht dabei war. Oder die Verletzung von Friedrich, der fulminante Renato Augusto, der neue Vertrag von Heynckes, die Option Bayern in diesem Zusammenhang, seine persönliche Bilanz gegen Villareal nach mehr als zehn Jahren in Spanien und, und, und. Natürlich schmeckt es Ballack nicht, dabei zu sein, wäre ja noch schöner, wenn sich so ein Kaliber in die Ecke trollt. Aber wenn er wirklich in die Nationalelf zurück will, kann es ihm nicht schaden, topfit und ausgeruht in die neue Saison zu gehen. Die Plätze werden 2012 vergeben, nicht jetzt. Außerdem spielt er ja regelmäßig und meistens sehr ordentlich.

Beim Zwiegespräch mit Emanuel Pogatetz wirkte Wolf-Dieter Poschmann anschließend so gehetzt, als habe er zuhause den Wasserhahn angelassen. Zwei der drei Einspieler zu Pogatetz befassten sich mit den Bayern, über die bemerkenswerte Situation von Hannover gab es kaum etwas zu hören. Wenigstens war der Spruch von Andi Herzog über den verfressenen Kollegen Pogatetz lustig.

Als dann der Club gezeigt worden war, machte ich den Fernseher aus. Wo war die Hintersinnigkeit, die Verweigerung gegenüber der Sensationshechelei, die konzentrierte Gesprächssituation, in der man immer wieder die Gäste dazu bringt, mehr zu sagen als die vorgestanzten Phrasen für Pressekonferenz und nach dem Spiel? Schade, das war früher einmal eine Bastion des intelligenten Sportjournalismus. Hoffentlich hatte ich nur einen schlechten Abend erwischt.

Im Transferwirbel

Gerade noch mal gut gegangen. Der Rheuma-Kai bleibt dem Club erspart. Präsident Schäfer kann sich sogar noch an den letzten großen Winterfehleinkauf erinnern. Andere Entscheidungsträger kriegen gleich den Koller, wenn man sie daran erinnert, was sie vor zwei Jahren gemacht haben.

„Verantwortungsversessen“, das wäre doch mal eine schöne Kampfvokabel, um Banker, Regierungsmitglieder und Vereinsobere elegant von jeder Kritik zu befreien. Die bayerischen Steuerzahler sind verantwortungsversessen, weil sie wissen wollen, was der Herr Stoiber mit der HypoLB zu tun hatte. Die Deutschen sind verantwortungsversessen, weil sie nach acht Jahren keinen Krieg mehr in Afghanistan führen wollen. Nur die Hertha-Fans sind nicht verantwortungsversessen, winken ihren Präsidenten Gegenbauer auf der Hauptversammlung glatt durch und ihren Lieblingen noch einmal freundlich zu, bevor es in die Zweite Liga geht. Arne Friedrich gestern im kicker: „Gekas ist ein Killer vor dem Tor.“ Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt das Phrasenschwein, aber der Realitätssinn, der nibbelt schon etwas früher ab.

Sehr gut gefällt mir die Rückkehr von Baumjohann zu (auf?) Schalke, ein interessanter Spieler, der die immer noch platten, aber wenigstens effizienten Offensivbemühungen entscheidend aufmöbeln könnte. Wobei es nicht verboten ist, mit Einfallslosigkeit Deutscher Meister zu werden, die Bayern wissen, wie es geht. Dass Kluge jetzt auch gleich dem Lockruf des Magath folgt, ist natürlich nicht so schön, allerdings hat er für seine Erfahrung auch zu wenig gemacht, um den Absturz zu verhindern. 1,5 Millionen sind trotzdem viel zu wenig. Ich fände ja Simak im Mittelfeld nicht schlecht, der könnte ein bißchen Kreativität reinbringen bei den rotschwarzen jungen, schrecklich Braven.

Bei den Bayern gehen die Abwanderungsbewegungen weiter, nur Rensing sucht noch eine neue Aufgabe. Vielleicht in Südamerika unter anderem Namen, einfach mal noch mal ganz von vorne anfangen als Surflehrer, oder als Chaperon, um südamerikanische Profis pünktlich zum Flughafen zu bringen. Oder doch zum VfB? Wenn Gross wirklich so ein Disziplinfanatiker ist, dann hat er Lehmanns Faxen bald dicke. Und Ulreich und Stolz sind für Barcelona dann doch ein wenig arg unerfahren.

Interessant sind auch die Mannschaften, die sich nicht verstärken, insbesondere Leverkusen, da kommen mit Helmes, Rolfes und Renato Augusto gleich drei überdurchschnittliche Spieler zurück, einfach so. Völlers Handschrift ist zu sehen. Er hat eines von zwei ganz interessanten Manager-Interviews im kicker gegeben, im anderen spricht Dieter Hoeneß. Nur Nerlinger bietet den üblichen Schwurbel, sagt erst kantig-klar: „Ich spreche nicht über Trends, sondern nur über Fakten“, wird dann aber bei der letzten Frage doch noch zum Propheten: „Dieser Tag, dass wir wieder Erster sind, ist nicht mehr fern.“ Bei D. Hoeneß bin ich gespannt, was ihm gelingt, wenn er einmal richtig Geld in die Hand nehmen darf. 31,8% der befragten kicker-Fans glauben übrigens, dass Wolfsburg gegen Villareal ausscheidet, das ist der drittschlechteste Wert nach Stuttgart (85,9% gegen Barca) und Hertha (78,5% gegen Benfica). Bei Bayern glauben 89,2% an ein Weiterkommen gegen Florenz, aber Bremen hat die Nase vorn mit 95,6% gegen Twente. Und auch gegen Firenze ist es bloß ein Achtelfinale mit dem Heimspiel zuerst. Das hat selten geklappt, damals, als Bayern noch Seriengast in der CL war. Sollte der nostradamische Nerlinger sein Herz in beide Hände nehmen, Ribery verkaufen und Maicon mit diesem Geld verpflichten, dann könnte es diesmal sogar für das Viertelfinale reichen.