Der Humus der Hoffnung im Frühbeet des Abstiegskampfes

Das Schöne an so einem 3-1 Sieg in Hannover ist seine lang anhaltende Wirkung. Die Konferenz in der Kneipe geht zu Ende, und du hast 3-1 gewonnen. Du siehst dir die Sportschau an, weil du ein zweite Meinung hören möchtest, siehe da, ein 3-1-Erfolg. Abends beim aktuellen Sport-Studio schon wieder 3-1, und du weißt: Du hast einen Lauf. Aus-wärts-sieg heißt das Wort zum Sonntag. Am nächsten Morgen dann im Tagesspiegel und in der FAS und in der Welt überall das gleiche Bild, als hätten sie sich abgesprochen. Der Internationale Frühschoppen mit drei Alkoholikern aus vier Ländern weiß Bescheid: 3-1 für deinen Verein. Auch am Sonntag Abend, wenn du wie so oft in den letzten dreißig Jahren, die Spielergebnisse und die Tabelle im kicker einträgst, kann es keinen Zweifel geben: 3-1 lautet die richtige Antwort auf so viele bange Fragen. Wenn du am Montag erwachst und dich fragst, ob du vielleicht geträumt hast, ist es am Besten, gleich den kicker zu holen. Und siehe da, dein Instinkt hat dich nicht getrogen. Der Club hat gewonnen! 3-1 !! In Hannover!!! Wo wir von Idrissou einmal furchtbar vermöbelt worden sind. Und als Extrabonus ist Bunjaku Mann des Tages. Obwohl er keine langen Unterhosen trägt. Vor dem Schlafengehen kannst du noch einmal schnell im Internet nachschauen, besser nichts dem Zufall überlassen. Aber das 3-1 steht. Steht überall. Der Dienstag vergeht im Gefühl wohligen Nachschmeckens. Jetzt, da Diekmeier doch nicht zu Köstner muss, duftet der Sieg noch mehr wie ein Single Malt von den Islays und wärmt von innen und läßt Blütenträume von einer ausgeglichenen Heimbilanz reifen. Gegen die Bayern, Leverkusen und Dortmund eigentlich ein Selbstläufer. Am Mittwoch verblasst das Erfolgserlebnis dann allmählich, vergeht wie ein spektakulärer Sonnenuntergang am Gestade des Valznerweiher, um am Donnerstag endgültig Geschichte geworden zu sein, zerfallen zum Humus der Hoffnung im Frühbeet des Abstiegskampfes. Aber da Mintal endlich wieder wie Mintal spielt, geht auch gegen den VfB etwas. Ein 2-1 würde völlig reichen. Nur nicht überdüngen.

Van Gaal – ein General und Gentleman

EasyCredit wirbt jetzt im kicker damit, dass es den fairsten Spieler der Saison bestimmen will. Sieger des ersten Spieltags ist Tinga von Borussia Dortmund mit 39 Punkten, der für seine 37 gewonnenen Zweikämpfe ohne Foul jeweils einen Punkt sowie 2 Punkte für die kicker-Note 3 bekam. Diekmeier vom Club ist Achter und auch in der Elf des Tages dabei. Für Rot gibt es -250 Punkte, weshalb Dante nach seiner Roten Karte unfairster Spieler des ersten Spieltags ist. Er braucht jetzt 247 gewonnene Zweikämpfe ohne Foul, um eine schwarze Null zu schreiben.

Spitzenreiter bei der Fairness war am Wochenende allerdings Louis van Gaal, der bei einer strittigen Entscheidung zugunsten der Bayern spontan für die Torkamera plädierte, obwohl seine Mannschaft dadurch gegen Hoffenheim früh in Rückstand geraten wäre. Wäre van Gaal ein deutscher Spieler, würde er kein Spiel im DFB-Dress mehr absolvieren. Die Erziehung zum mündigen Spieler hat ihre Grenzen anders gesagt war Frank Rost seiner Zeit einfach zehn Jahre voraus, als er anfing, seine Meinung zu sagen. Ihm fehlt der Klassensprecher-Charme von Philipp Lahm, der im Sportstudio lausbübisch grinsend erklärte, das ausfallende Verhalten seines Kapitäns sei ja „schon viel besser geworden“.

Besagter Kapitän heißt Mark van Bommel fällt jetzt erst einmal vier Wochen mit Zehenbruch aus, putzigerweise nach einem mißglückten Versuch, seinen Gegenspieler von hinten umzutreten. Die Zwangspause spart ihm mindesten 200 Minuspunkte bei EasyCredit. Mag ja sein, dass er mit seiner Spielweise die anderen Spieler mitreißen möchte, aber er wirkt vor allem umreißend. Frank Baumann war viele Jahre Käptn von Bremen und machte das auch ohne Meckern, Schubsen, Boxen recht gut. Jetzt ist Frank nicht mehr da, und meine optimistische Prognose für die Bremer angesichts des Fünfnull gegen Union könnte sich als verfrüht erweisen, obwohl die Frankfurter mich nicht überrascht haben. Könnte gut sein, dass der Club gleich noch einmal verliert.

Van Gaal ist jetzt gewungen, Timoschtschuk zu bringen. Ob der brav den Lückenbüßer gibt, wenn van Bommel wieder fit ist? Oder spielt er sich mit 300 Minuspunkte gleich in die Herzen der Bayern-Fans?

Was wollen wir trinken, sieben Tage lang…

Dieses scheußliche Stück, Erfolgshit der berüchtigten Betroffenheitskapelle bots aus den Siebzigern, ist tatsächlich die Tormelodie in Hoffenheim, wie heute in der Sportschau zu hören war. Vielleicht sind die Stürmer ja alle deswegen verletzt, weil sie mehr Geschmack besitzen als das Gremium, das diese Melodie aussuchen durfte. Hoffenheim hat jedenfalls die Seuche seit der Winterpause, heute ging Jaissle mit Verdacht auf Kreuzbandriss raus. Es zeigt sich, dass der angebliche Kaufrausch gar keiner war, und der Aufsteiger mittlerweile ein gravierendes Personalproblem hat. Manchmal blitzt die große Spielkultur noch auf, aber wer auf dem Zahnfleisch geht, hat Schwierigkeiten zu lächeln.

Ein (weiteres) Personalproblem hätten auch die Bayern, wenn Ribery vorschriftsmäßig vom Platz geflogen wäre. Sie hätten gegen die glücklosen Karlsruher auch so gewonnen, aber wenn Diego nach Kinnhaken vom Platz muss, dann doch bitte auch der Hl. Franck. Ist das wirklich nur der Bayern-Dusel? Wer den neuen Spot von Premiere gesehen hat, der braucht sich nicht zu wundern. Da sitzen der Luca, der Franz und der Marcel gemeinsam an der Theke und der Marcel bestellt drei Bier. Der Toptorjäger aus Italien mache eine spassige Witze, der Kolumnist der größten deutschen Zeitung und Präsident hebt das Glas, und sein erster Öffentlichkeitsarbeiter von der Pressetribüne ist froh, dass er Prost sagen darf. Hatte man nicht kürzlich noch die Sorge, dass unter Kirch der kritische Blick auf die Bundesliga verloren gehen könnte? Zum Glück ist das bei Premiere ganz anders.  Früher hat mal ein gewisser Hajo Friedrichs das Aktuelle Sportstudio moderiert. Der sagte über seinen Beruf: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.“ Bestimmt hat  auch er sich nicht immer dran gehalten, aber er saß auch niemals beim Kaiser auf dem Schoß, weil man da eine größere Spielübersicht hat. Der Qualitätsreporter Reif dagegen kennt keinerlei Berührungsängste und gehört dazu, wenn es darum geht, den FC Bayern als einzig relevante Mannschaft in Deutschland zu inszenieren. Wenn er also beim nächsten Spiel wieder vermeint, einen Klassenunterschied festzustellen, die Weltklasse von Ribery verkündet oder eine Leistungssteigerung bei Bastian Schweinsteiger gesehen haben will, können wir vermuten: er hat zu tief ins Glas geschaut.

Zu tief ins Glas geschaut hat am Mittwoch eventuell auch Patrick Ebert, weshalb Hertha heute in die Röhre gekuckt hat. Obwohl, es waren zwei Simunic-Fehler, die das Spiel entschieden haben, nicht zu wenig Ideen nach vorne. Aber die Erfolgsmannschaft der letzten Wochen war gesprengt.  Was den durchaus begabten jungen Mann reitet, immer wieder Extratouren zu fahren, weiss vermutlich nur Paul Gascoigne. Ebert darf morgen mit Hertha II gegen den 1. FC Magdeburg ran. Dann ist Länderspielpause, und er kann sich der Frage widmen: Was wollen wir trinken, vierzehn Tage lang?