Schlusspfiff für Volk ohne Raumdeckung

draconianimages / Pixabay

Liebe Leserinnen und Leser,

die Stunde des Abschieds ist gekommen. Nach mehr als 12 Jahren (mit Pausen) werde ich meinen Blog mit diesem Text beenden. Der achte Aufstieg des 1. FC Nürnberg und die gute Entwicklung, die der Verein in dieser spannenden Saison genommen hat, geben einen guten Anlass, adieu – oder auf fränkisch ade – zu sagen.

Fußball ist immer noch die schönste Nebensache der Welt, auch wenn dem Profifußball in den letzten Jahren ein Teil seiner Poesie abhanden gekommen ist. Die Suche nach Perfektion wohnt jeder Kunst inne und ist einer der Gründe, weshalb Menschen Kunst erschaffen (wollen). Wenn Toni Kroos Pässe schlägt wie Johann Sebastian Bach Fugen komponiert hat, wer wollte dagegen etwas einwenden? Aber das Wilde, Anarchische, Ungebärdige darf gerne wieder mehr in den Vordergrund treten. Auch Charles Mingus hat große Musik erschaffen. Dass eine Gang aus Straßenkämpfern mit Eintracht Frankfurt Pokalsieger geworden ist und dann auch noch so, ist ein großer Lichtblick.

Um mit Goethe zu sprechen

Wenn der Profifußball sich demnächst einmal durch seine Regelungswut und dem Wunsch nach Planbarkeit von Gewinn und Gewinnen in die vollendete Langeweile verabschiedet haben wird, sehen wir uns auf dem Bolzplatz wieder, wo Kampfesmut, Geniestreiche und Teamgeist unser Herz ebenso erwärmen werden wie zutiefst menschliche Unzulänglichkeit. Um mit Goethe zu sprechen: Es irrt der Mensch, so lang er flankt, passt, dribbelt, grätscht und strebt. Und natürlich, so lang er schreibt. Meine gesammelten Irrtümer und Weisheiten kann man noch bis zum 2. Juni 2018, also bis kommenden Samstag hier nachlesen. Danach geht diese Website offline. Unter @robalef werde ich auf Twitter weiter zwitschern und mich zu geeigneter Zeit an geeignetem Ort auch wieder ausführlicher zum Thema Fußball äußern. Vielen Dank fürs Kommentieren, Protestieren, Argumentieren.

„Ihr seid die besten Fans der Welt“, sagte das Phrasenschwein und galoppierte in den Sonnenuntergang.

Rob Alef
Berlin, 28. Mai 2018

Auf Wolke Acht

WikiImages / Pixabay

In den letzten vier Spielen der abgelaufenen Zweitligasaison hat der 1. FCN sich selbst übertroffen und in einem mitreißenden Endspurt den hochverdienten Aufstieg geschafft. Gegen Braunschweig war ich im Max-Morlock-Stadion. Vermutlich habe ich die letzte Karte überhaupt im Stadion ergattert, in Block 28 direkt neben dem Gästeblock. Die Braunschweiger Fans gewannen mein Herz, als sie in der zweiten Halbzeit Bella Ciao sangen, die Braunschweiger Stürmer senkten meine Herzfrequenz, als sie sich notorisch ungefährlich zeigten. Es war herrlich, wieder einmal ein ausverkauftes Heimspiel zu erleben. Die Legende lebt, das in den letzten Jahren bisweilen auch leise Verzweiflung hervorrief, weil zwischen den auf den Videowänden eingespielten Glücksmomenten der Vereinsgeschichte und dem Realzustand so riesige Abgründe klafften, wurde vom ganzen Stadion gesungen.

Hanno, der Knipser

Der „Thrilla bei die Kieler“ war von den drei Aufstiegsspielen am spannendsten. Wieder einmal zeigte Hanno Behrens, dass er der torgefährlichste deutsche Mittelfeldspieler seit Michael Ballack ist. Für den Kopfball beim 3-1 im Kiel musst du das Spiel lesen wie ein Stürmer, laufen wie ein Stürmer, handeln wie ein Stürmer. Ein sagenhaftes Tor. Ähnliches gilt für das 1-0 in Sandhausen. Ich habe mir kürzlich die 16 WM-Tore von Miroslav Klose angesehen, von denen er mehr als zehn mit dem Kopf erzielt hat. Behrens besitzt ähnliche Handlungsschnelligkeit und Instinkt. In der Bar 11 in der Wiener Straße nahm die Saison gegen den 1. FC Kaiserslautern ihren tollen Anfang, gegen Sandhausen haben wir dort den Aufstieg besiegelt und besungen. Die Spiele gegen Kiel und Sandhausen sah ich im Kreise der Clubberer aus der Bar 11 in der Wiener Straße. Als Fortuna Düsseldorf an die Reihe kam, war ich auf einer Geburtstagsparty in einem sozialen Umfeld, in dem Fußball eher randständig wahrgenommen wird. Fortuna holte verdient die Felge. Eine Niederlage in der Nachspielzeit nach 2-0-Führung, das war sorgfältige und durchdachte Arbeit der Clubberer am eigenen Mythos, die notwendige Prise Traditionsbewusstsein, damit nicht alle überschnappen.

Keiner schnappt über

Aber interessanterweise schnappt ja keiner über. Natürlich haben die Fans auch „Arrubbabogaal“ gesungen, aber nicht als Forderung, sondern als Zeichen dafür, dass die Mannschaft fast so viel Freude macht wie die von 2007. Der Club hat gegen die konstanteste Mannschaft der Zweiten Liga knapp und spät verloren, und gegen Wolfsburg, das drittschlechteste Team der Bundesliga im Pokal eine Verlängerung erzwungen. Wahrscheinlich hätte der Club in der Form der letzten Spiele Wolfsburg rausgekegelt und gegen Düsseldorf gewonnen, wenn sie es gemusst hätten. Aber so oder so: Auch auf Wolke Acht ist noch viel Luft nach oben, der Club muss und wird noch viel besser werden. Die Schlüsselfigur ist natürlich Michael Köllner. Im Rahmen der Aufstiegsfeier hat er freundlich, aber bestimmt noch einmal klar gemacht, dass es ihm nicht gefällt, wenn seine hervorragende Arbeit von Kleingeistern kaputt geredet wird. Keiner hat ihm das zugetraut, einige hielten ihn von vornherein für zu schlecht, obwohl er dem FCN nach dem Desaster mit Alois Schwartz die letzte Saison noch gerettet hat. Ich wünsche mir, dass der Club mit Köllner die nächsten großen Schritte geht, freue mich auf viele Fußballfeste in der Bundesliga und drücke Kiel und Aue die Daumen für die Relegation.