Der Osten rockt

Rostock aufgestiegen, Chemnitz aufgestiegen, Aue fast aufgestiegen, Cottbus fast aufgestiegen (und im Pokal-Halbfinale), Erfurt fast aufgestiegen, Union nicht abgestiegen, Babelsberg sportlich nicht abgestiegen, Neuling Rasenball Leipzig auf Platz vier in der Regionalliga, Magdeburg dortselbst nicht abgestiegen und das Sahnehäubchen gab’s am Dienstag, als Dynamo Dresden in Osnabrück erst in die Verlängerung und dann in die Zweite Liga stürmte. Schahin schießt schwarz-gelb ins Glück, und das ist kein Schreibfehler. Das zweite Spiel gegen Osnabrück war richtig geil. Ein KO-Spiel, wie es sein soll, bis auf die Brandsätze auf der Tribüne. Kein einziger Ostverein aus den Ligen zwei bis vier ist abgestiegen.

Bin sehr gespannt, wie das weitergeht. Man darf die Freiburger, Hannoveraner, Nürnberger und Dortmunder für ihren Spar- und Jugendstil gerne loben, aber heimlich still und leise haben die in den neunziger Jahren auch durch eigene Unbedarftheit so arg gebeutelten Vereine aus dem Beitrittsgebiet eine Menge dazu gelernt. In Dresden sind Calmund und Kirsten mit vollem Herzen dabei, in Rostock hat Beinlich binnen eines Jahres Perspektiven entwickelt und Hansa kann wieder aus seiner hervorragenden Jugendarbeit schöpfen. Union hat sich wieder einmal durchgebissen und will/wird sich gezielt weiterentwickeln. Alle drei Vereine haben neue Stadien. Mittlerweile gibt es in Liga Zwei fünf Ostvereine, alle haben das Zeug zum Aufstieg, Hansa oder Dynamo traue ich auch einen Durchmarsch zu. Chosebuz und die anderen treffen auf die großen Namen längst vergangener Zeit, die Münchner Löwen, die Fortuna aus Düsseldorf, den Frankfurter Adler, die Fürther, Eintracht Braunschweig, den Meidericher SV und naürlich St. Pauli. Zugegeben, es wird einige heikle Spiele mehr in der Zweiten Liga geben, aber die Fans werden nicht so blöd sein, mit dem Arsch einzureißen, was sie mit ihren schönen Gesängen erreicht haben. Fortsetzung folgt.

PS: Ich bin so froh, dass Favre und die Gladbacher das noch gewuppt haben. Möge der Kelch Effenberg an den Borussen und allen anderen Mannschaften des deutschen Profifußballs vorüber gehen. Vielleicht kann der Papiertiger ja zusammen mit Lothar Matthäus Tonga auf einen zweistelligen Platz in der FIFA-Weltrangliste hieven, es wäre eine „reizvolle Aufgabe“ und eine „große Herausforderung“. Gladbachs nächste Saison wird so werden wie die abgelaufene beim Club. Passenden Trainer gefunden (Favre/Hecking), Relegation gewonnen (Bochum/Augsburg), wichtigsten Spieler gehalten (Reus/Pinola) und ab geht die Luzie.

Höllisch gute Gaudi

Wenn Siegbert Penzing vor der kleinen Vitrine mit den vier abgekauten Holzstückchen steht, sieht man ihm an, wie glücklich er ist. Der Kurator des Museums für Europäischen Kram und Gedöns (EKG) in Aachen flüstert: „Da sind sie, Hadubrands Männchen. Sie wurden ihm als Grabbeigabe mit in den Sarkophag gelegt.“ Die runzligen Artefakte führen zurück zu den Anfängen von „Mönch ärgere dich nicht“, dem erfolgreichsten Spiel aller Zeiten.

Im nebeligen Herbst des Jahres 811 im Kloster Murnau verlebt Hadubrand, ein 23-jähriger Mönch aus dem Allgäu, mit seinen Betbrüdern wieder einmal langweilige Tage. Um dem eintönigen Klosteralltag zu entgehen, denkt er sich Spiele aus. Monotheopoly scheitert an den komplizierten Spielregeln, die primitiven Darts, die den Mann am Kreuz treffen sollen, sind dem Klostervorsteher zu heikel. Stattdessen schnitzt der fingerfertige Hadubrand Männchen aus dem zarten Holz der Wipfeleibe, malt sie an und gestaltet einen primitiven Spielplan, der beim Großen Brand von 852 leider verloren gegangen ist. Der promovierte Mediävist Penzing ist sich aber sicher, wie er ausgesehen hat: „Er war auf jeden Fall kreuzförmig, so wie heute auch. Auf dem Spielfeld durfte man sich nur bewegen, wenn man bibelfest war. Wer vorrücken wollte, musste erst eine Bibelstelle richtig zitieren oder ein wenig Exegese betreiben.“

Ziel des Spiels ist es, seine vier Männchen ins Paradies zu bringen. Wer zu wenig weiß, dessen Spielsteine landen in der ewigen damnatio. „Gehe in die Hölle, gehe nicht durch das Fegefeuer, ziehe keine 4.000 Rosenkränze durch“, zitiert Penzing aus dem offiziellen, in Nürnberg gedruckten Regelwerk. Hadubrand muss wohl damals den Zeitgeist getroffen haben, denn die Chronik des Klosters notiert in den darauffolgenden Jahren stets: „Habemus Gaudi.“

Anlässlich einer Reise Karls des Großen nach Bayern gelingt es Hadubrand, den Kaiser vom Lehrwert des Spiels zu überzeugen. Bald darauf steht MaeDN, wie es in der mittelalterlichen Abbreviatur meist genannt wird, in jedem Kloster. Beflügelt von seinem Erfolg in Europa will Hadubrand im Heiligen Land ein neues Kapitel seiner Erfolgsgeschichte schreiben, verliert seine illuminierten Musterspielpläne jedoch beim Backgammon in Byzanz und stirbt bald darauf vor Gram. Seine originalen Männchen konnten im Rahmen eines deutsch-türkischen Ausgrabungsprojekts erst im vergangenen Jahr gesichert und eindeutig zugeordnet werden. Anders als bei der heute gefertigten Massenware haben die Figuren des flinken Hadubrand individualisierte Gesichtszüge. „Man kann sie sich wie Gartenzwerge vorstellen, die eine Kutte tragen“, sagt Penzing.

Die letzten Entscheidungen

Borussia Dortmund ist Meister, hochverdient, Gratulation. Vor einem Jahr war ich gegen Bochum dabei, als das Festgeld Conto Bayern München Schalke abschüttelte, diesmal war der Club höchstpersönlich im Stadion, als die Schwarz-Gelben die Schale buchen konnten. Demnächst würde ich gerne mal wieder einen eigenen Titel feiern. Nach den Spielen der letzten Wochen bin ich wirklich froh, dass der Club nicht in der Europa League spielt. Es ist immer gut, sich neue Ziele zu setzen, aber die Mannschaft war nach der Supersaison am Limit angekommmen. Bin sehr gespannt, wie sich der Taktiktüftler Tuchel auf europäischem Parkett schlägt. Wenn man sieht, wie die Mainzer Bayern und Schalke im eigenen Stadion hergespielt haben, kann sich der Club auf das 0-0 beinahe etwas einbilden. Und ein Ende des Mainzer Höhenflugs ist nicht abzusehen. Auch ohne Holtby und Schürrle werden sie ihren Stil weiterentwickeln und mannschaftlich stärker sein als die meisten Teams. Im Abstiegskampf hat Gladbach noch einmal Morgenluft gewittert, und es ist kein Zufall dass Mike Hanke das 1-0 gegen Freiburg erzielte. Im ersten Rückrundenspiel in Nürnberg gab er die Vorlage zum 1-0 und ist seitdem einer der entscheidenden neuen Spieler. Gegen Hamburg wird es schwer, aber nicht unmöglich, Platz 16 zu verteidigen. Und die Frankfurter brauchen vielleicht eine Auszeit in Liga Zwei, um ihre Fans zur Räson zu bringen.

Gegen wen die Relegation gespielt wird, entscheidet sich erst am letzten Spieltag. Fürth ist bis zum Schluß in der Verlosung, allein das ist schon eine tolle Leistung nach all den Verletzten. Auf dem Papier ist Düsseldorf ein bißchen leichter als Duisburg, die sich emotional in Endspielstimmung versetzen müssen und die Saison nicht ausklingen lassen werden. Und dann Relegation gegen Gladbach? Hertha ist wieder da, mit einem Sahnesturm und einem Problembär im Tor haben sie souverän und nervenstark den Aufstieg geschafft, Gratulation. Anscheinend bleibt die Mannschaft zusammen, eher gibt es Zugänge wie Ottl und Kraft, die der Mannschaft gut zu Gesicht stünden. Kopf hoch, Frankfurt, so toll kann Wiederaufstieg sein. Die Vereine aus dem Osten spielen eine starke Saison. Aue undCottbus fast auf Platz drei, Union locker die Klasse gehalten. Am Tabellenende geht es genaus spannend zu wie in Liga eins. Vergeigt der KSC am Ende doch noch alles nach diesem Seuchenjahr? Oder werden die Löwen am Grünen Tisch nach unten expediert?

In Liga Drei ist Braunschweig souverän Meister geworden, Gratulation. Wie Düsseldorf und St. Pauli ist ein Traditionsverein, der lange unterklassig war, wieder in Liga 2. Rostock hat seine innere Mitte nach den Kapriolen wiedergefunden und den direkten Wiederaufstieg geschafft. Eventuell kommt Dresden noch dazu. Dann wären es schon fünf Ostvereine in Liga Zwei. Bis sich wieder zwei oder drei ganz oben tummeln ist es nur eine Frage der Zeit, wenn sie weiterhin so seriös arbeiten.

Die Beiträge hier werden weiterhin rar bleiben, ich arbeit gerade an meinem neuen Roman. Aber in der neuen Saison gibt es wieder mehr zu lesen.