In der Borussenhölle

Arme Gladbacher. Eigentlich haben sie alles richtig gemacht. Ein Trainer, der zu ihnen passt (Frontzeck), ein Manager mit Realitätssinn (Eberl), ein Präsidium, das sich aus dem Tagesgeschäft merklich raushält (König et al.) und eine Legende mit Fußballsachverstand (Bonhof). Die Mannschaft gut strukturiert mit erfahrenen Alten (Brouwers) und talentierten Jungen (Reus). Der totale Absturz ist so wenig zu erklären wie Nürnbergs Niedergang nach dem Pokalsieg oder Hannovers annus horribilis in der letzten Saison. Scheiße am Schuh, heißt das wohl, sehr viel mehr läßt sich auch nicht sagen. Das scheinen auch die Fans zu wissen, die auf die üblichen Frontzeck-Raus-Rituale bisher verzichtet haben. Nachdem der Relegationsplatz nur fünf Punkte weg ist, sollte man die Nerven behalten und auf besseres Karma in 2011 hoffen. Das erscheint langfristig besser als die Kapriolen, die Stuttgart mit seinem Manager Bobic gerade schlägt. Bei Hannover hat es mit dem stets umstrittenen Slomka auch noch gereicht und siehe da, das Warten hat sich gelohnt.

Fieberträume schwächelnder Mittelfeldmittelgewichte

Ein gewisser Oskar Beck,  als Sportjournalist vor allem mit dem VfB Stuttgart beschäftigt und in der Stuttgarter Zeitung präsent, behauptet in Die Welt vom 5.12.: Die Bayern beherrschen auch in der Krise die Liga. Inhalt des Artikels: Die Bayern sind so übermächtig, dass ihr Absacken wichtiger ist als Dortmunds und Mainzens Aufstieg. Das war schon immer so, das wird immer so bleiben. Beweis:

„Schon in den 70ern ließ Präsident Willi O. Hoffmann, besser bekannt als „Champagner-Willi“, anlässlich eines Kampfes von Muhammad Ali in seiner Villa einen Boxring aufbauen und stellte im Rahmen einer rauschenden Party vier Fernseher hinein.“

Fürwahr einer der definierenden Momente des deutschen Sports jener Dekade. Aber nichts im Vergleich zu Hoenbold dem Verwurster, der im Jahr 1312 sein Pemmikan an der Querlatte trocknete.

Meine Gegenthese zu diesem untauglichen Versuch einer Fiktion der Bundesliga als Bayernliga: Die Bayern beherrschen auch in der Krise die Journalisten, die sich ihnen unterwerfen. Denn wer über die Bayern schreibt, muss nicht unbedingt viel vom Fußball verstehen und findet doch immer sein Thema. Alles easy-peasy, bussi-stussi. Dass nach vierzig Jahren Dauerjodelbeschallung auf allen Kanälen Vereine wie Mainz, Freiburg, Union Berlin oder Dynamo Dresden überhaupt noch wahrgenommen werden, ist Beweis für die Eigenwilligkeit und Eigenständigkeit, Liebe und Bockigkeit der Fans.

Ich mache jetzt einen kleinen Selbstversuch. Ich tu jetzt einfach mal so, als seien die Bayern schon abgestiegen. Und obwohl Franz Beckenbauer, Stefan Effenberg, Mehmet Scholl und Oliver Kahn in pluralistischer Vielfalt die Meinungshoheit zusammen mit Marcel Reif, Johannes B. Kerner und Reinhold Beckmann unter sich aufteilen, schreibe ich bis zum 24. Spieltag, der scheibchenweise ungefähr am 26. Februar 2011 stattfindet, also bis zum Spiel des  glamourös malochenden BVB in München, gar nichts mehr über den vom Absterben bedrohten Säbener Säbelzahnpapiertiger. Und dann werden wir in einem utopisch aufblitzenden Moment erahnen, wie schön das Fußball ist unser Leben sein kann.

Sag mir, wo die Bayern sind…

…wo sind sie gebliehieben?

Schalke ist ja nun auch nicht gerade die Überfliegermannschaft der Stunde, aber für den FCB hat es am Samstag gut und gerne gereicht. Es spricht für echte Spitzenmannschaften, dass sie Drangphasen des Gegner dank eines überragenden Torwarts auch mal überstehen, um dann zweimal blitzschnell zuzuschlagen. Und es spricht für die Flucht ins Mittelmaß, dass der unterlegene Gegner seine Möglichkeiten völlig verkehrt einschätzt. Bayern im Winter 2010 ist bei der Angabe der Saisonziele so glaubwürdig wie Hertha BSC im Winter 2009.

Unter diese Saison können die Bayern einen Haken machen, es sei denn, sie gedenken, noch in den Abstiegskampf einzugreifen. Könnte ja gut sein, dass Schalke und Bremen irgendwann vorbeiziehen und dass Wolfsburg und Köln so etwas wie Spielwitz und innere Ordnung entwickeln. Nach oben ist alles gelaufen,  17 Punkte aufholen, nicht mit dieser Abwehr, und die CL schon gar nicht. Bleibt der in München stets sehr beliebte Pokal…

Ob der Meister dann Dortmund heißen wird, mal sehen. Mich erinnert das schon sehr stark an Hoffenheims tolle Vorrunde. Wie in Trance. Dortmund ist als Langzeitangehöriger der Bundesliga noch ein bißchen bissiger, gefestigter, erfolgshungriger, aber die Rückrunde wird etwas ganz anderes. Leverkusen stümpert sich oben fest und hat noch sehr viel Luft nach oben, mal schauen, was die Frankfurter noch reißen, wenn alle wieder fit sind am Main.

Nichts gegen die solide spielenden Nürnberger, die sich mal wieder mit einer Standardsituation selbst erledigten, aber Frankfurt, Bremen und Sevilla sind die Nagelprobe für den BVB. Wenn sie danach ihren Vorsprung noch ausbauen konnten und in der Europa League weiter sind, dann sind sie auch ein echter Meisterschaftsfavorit. Wenn sie gegen Sevilla scheitern, der Vorsprung schrumpft und sie zum Auftakt in Leverkusen verlieren, dann wird es eng. Und Mainz steht so lange schon oben, dass man gar nicht mehr über sie spricht. Gut für den FSV, dem ich eine ähnlich starke Rückrunde zutraue.