Flavor of the Month: Daum

The Disposable Heroes of Hiphoprisy haben mal einen Song gemacht, “Famous and Dandy”, in dem der Refrain Flavor of the Month hieß. Darin beschreiben sie, dass politisch/medial alle das tun, was alle anderen tun, weil sie alle denken, es würde von allen getan. Auf Deutsch könnte man das mit “die Sau durchs Dorf treiben” übersetzen, wobei ich jetzt damit nicht sagen möchte, Christoph Daum sei eine Sau, schon eher der Flavor of the Month der fußballberichterstattenden Zunft.

Am Montag durfte sich Nachwuchstalent Daniel Theweleit die Geschmacksverirrung (nicht: die Sau) noch ein bißchen weitertreiben. Er zitiert sogar einen (genau einen = 1,0) Schalke-Fan als Kronzeugen für seine Behauptung, das königsblaue Fanvolk sei gegen Slomka und für Daum. Ich liebe investigativen Journalismus. Auch Thomas Doll muß noch einmal herhalten, obwohl Guerrero am Sonntag die HSV-Krise beendet hat. Van der Vaart war dabei und spielte ordentlich, Sorin war richtig gut. Endlich. Neu im Programm ist jetzt Bert van Marwijk und – immer wieder schön – der 1. FC Köln. Die Chance darauf stehen schlecht. Daum ist bestimmt arbeitshungrig, aber von versteckter Todessehnsucht ist bei ihm eigentlich nichts bekannt. Von Michael Skibbe redet im Moment noch keiner, obwohl Bayer weit unter seinen Möglichkeiten bleibt und eigentlich einen Kader hätte, mit dem Daum seinen offensiven Fußball realisieren könnte. Andererseits ist Felix Magath nach dem 1:3 in Bremen eigentlich nicht mehr zu halten. Und die Bayern hätten die erforderlichen Mittel (Oktoberfestgeldkonto!), um Daum für sich zu gewinnen. Muß bloß noch Kaiserslautern die Bayern im Pokal rauskegeln und Frankfurt in München einen Punkt holen.

Was ist mit den unteren Ligen? St. Pauli hechelt den Saisonzielen hinterher. Von der SpVgg Greuther Fürth ganz schweigen. Die haben am Freitag nach 2:0 Halbzeitführung zu Hause 3:5 gegen Duisburg verloren. Sollten sie sich im Playmobilstadion jetzt eine Mutation des “Der-Club-ist-ein-Depp-Virus” eingefangen haben? Das sollte Christoph Daum nicht schrecken. Er kann überall von heute auf morgen anfangen. Nur nicht in der Bundesliga. Die Ära der Wunderheiler und Feuerwehrleute (Berger, Neururer, Ristic et al) geht dem Ende zu. Das Modell Peters/Rangnick in Hoffenheim ist faszinierend. Viele Vereine haben begriffen, dass es besser ist, mit dem richtigen Trainer den falschen Tabellenplatz inne zu haben oder auch mal abzusteigen, als alle 9 – 18 Monate ein völlig neues Konzept aus dem Boden zu stampfen. Hertha wird jetzt dafür belohnt, dass die Götz nicht geschaßt haben letztes Jahr (vor Saisonbeginn habe ich beiläufig angemerkt, dass Pantelic ein Knipser ist), auch der HSV und Stuttgart haben die Nerven behalten. Ich denke, auch Altegoer würde mit Koller in die zweite Liga gehen.

Vielleicht wird ja am Ende doch Volker Finke entlassen oder geht selbst. Daum wäre ein würdiger Nachfolger im Breisgau. Dann wäre sogar Daniel Theweleit glücklich. Der kommt aus Freiburg.

Ein Kommentar zu “Flavor of the Month: Daum” (1)

Heinz Coenen
24.10.2006

Ein Artikel, der so richtig meine Gefühlslage trifft: Höchst ärgerlich, überflüssig und nutzlos sind die ständigen Trainerwechsel ohne die Revision der Spieltaktik und der Förderung der Einzelspieler.Hoffenheim ist auch in meinen Augen der allein selig machende Ansatz. Ein Hausbau fängt ja schließlich immer mit dem Keller an und nicht mit dem ersten Obergeschoss! Was eine grundsolide Schulung bewirken kann, sieht man ja am Beispiel der Nationalmannschaft.Immerhin hat es zwei Jahre gedauert, bevor deren Spiel richtig gut wurde.Und so wird sich Bert van Marwejk nicht mehr lange halten können, denn er weiß nicht, was seinem Team fehlt. Im Ernst:Ich würde den Arzt wechseln, wenn der nicht in der Lage ist, eine Diagnose zu stellen. Fragt sich, wie lange Slomka und Magath noch im Taktiksumpf herumirren dürfen, bevor man ihnen das Steuer aus der Hand nimmt.

Heinz Coenen

CdüK in Erklärungsnot: Schalke schon auf zwei

So eine Krise wünschen sich viele. Nach einem schmutzigen kleinen 2:1 in Hamburg gestern ein ansehnliches 2:1 gegen Hannover. Damit hat der S04 mal wieder den Chor der üblichen Kritiker (CdüK) Lügen gestraft und bewegt sich auf dem gleichen guten Startniveau wie mit Rangnick vor einem Jahr. Allerdings werden die Bemühungen in der Liga diesmal nicht durch Europacupfirlefanz und Assauereskapaden abgelenkt. Der Tabellenführer Bremen wurde im bisher besten aller Spiele in dieser Saison mit 2:0 überlegen besiegt, die Mannschaft gewinnt allmählich Konturen, mit Bajramovic als zentraler Figur, der bisweilen an Viera erinnert. Wie sehr die Mannschaft in den letzten Wochen an Substanz gewonnen hat, zeigt auch der Umstand, dass gegen Hannover ohne Bordon gewonnen wurde. Nachdem dieser drei der letzten fünf(?) Tore geschossen hatte, hatte der CdüK in ihm den letzten königsblauen Profi ausgemacht, der mit echtem Engagement bei der Sache sei. Nach der Offensivfreude in Halbzeit eins und der Nervenstärke in Halbzeit zwei gestern kann davon keine Rede mehr sein. Jetzt müßten nur mal die Stürmer treffen.

Mittelfeldgeplänkel beim BVB

Das Mittelfeldgeplänkel entlehnt sich unmittelbar aus dem Handbuch des Kriegswerks. Das Plänkeln, auch Plänkern oder Blänkern wird beschrieben als “das zerstreute Gefecht sowohl der Infanterie als der Reiterei, besonders mit der Schußwaffe geführt.” Kulturwissenschaftler, die gerne darauf hinweisen, dass Fußball etwas mit Krieg zu tun hat, weil ihnen halt sonst so gar nichts dazu einfällt, sollten diesen Umstand auf ihrer nächsten Taugung zum Thema “Ballsportarten in Zeiten asymmetrischer Kriege” gebührend berücksichtigen.

Ich frage mich in der Zwischenzeit, was Borussia Dortmund in dieser Saison eigentlich noch so vorhat. Vergangenen Sonntag brachten mich Schicksal und Spielplan mit einem in Berlin zu Besuch weilenden Ehepaar aus Dortmund vor der Großbildleinwand zusammen. In der Konferenz sahen wir schiedlich-friedlich Nürnberg gegen Bielefeld und den BVB in Cottbus, letztere im Stadion der Gastfreundschaft, erstere im EasyCredit Stadion, das wenigstens nicht Arena heißen muß, anders als das große Gebrauchsmöbel in Dortmund, das Teilkaskoarena oder Zahnersatzzusatzversicherungsarena oder so ähnlich heißt.

Dortmund also, wohin? Mit den Transfers waren die Herrschaften, er ein Dauerkarteninhaber, sie eine sich in ihr Schicksal gefügt habende und im Laufe der Jahre bewandert gewordene Gattin, gar nicht zufrieden. Pienaar, nun ja, Frei, könnte mehr, Valdez, sehr große Klappe für einen Ergänzungsspieler, der gerne zwei bis drei Großchancen pro Spiel vergibt. Auch Degen war nicht gerade ein Publikumsliebling der beiden. Ricken fanden sie gut, und dass sie den nahezu schon abserviert hatten, zeigt, auf welchen Irrwegen sich der BVB jahrelang bewegte. Sammer fanden sie auch gut, wobei ich von dessen Trainerfähigkeiten noch nicht überzeugt bin und die mit ihm/unter ihm/ trotz seiner errungene Meisterschaft möglicherweise ein praktisches Anwendungsbeispiel des Satzes: “Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln” war, und die allergrößte Kartoffel in jener Saison den Namen Amoroso trug.

Koller wurde schmerzlich vermißt, der Name Rosicky fiel dagegen kein einziges Mal. Van Marwijk ist ein äußerst angenehmer Zeitgenosse, aber überzeugt waren sie von ihm nicht. Der Mannschaft fehlt ein Gesicht. Sie ist nicht gar so fad wie jene, in der Lemuren wie Ewerthon, Evanilson und Bergdölmo ihr Unwesen trieben, aber wer sich an Chapuisat, Zorc, Klos, Povlsen oder eben auch Koller erinnert, dem wird ganz weh bei soviel Ach-Gott-Naja-Spielern, selbst wenn er Schalke-Fan ist. Auch die knuffige kleine Werbekampagne, die im Moment im kicker und anderswo läuft, kann daran nichts ändern. Gestern Abend gab es ein 1:1 gegen Bochum und vieles spricht dafür, dass der quasi naturwüchsig zum Saisonziel ausgerufene UEFA-Cup-Platz für den BVB dieses Jahr ähnlich unerreichbar bleibt wie für Wolfsburg und Hannover. Dortmund im Herbst 2006 ist eine graue Maus in schwarz-gelb.