Miszelle NICHT WIE Miss Celle

Kurz angemerkt sei:

Nach dem vierten Bundesligaspieltag hat jede Mannschaft einen anderen Tabellenplatz als vor dem vierten Spieltag, Hertha springt von 10 auf 1. Börsianer nennen so etwas volatil, Fußballfans nennen es spannend.

Die Nürnberger Nachrichten schrieben am gestrigen Mittwoch über eine Kurzmeldung “Herr Rossi sucht das Weite”. Gemeint war der Chef des italienischen Fußballverbandes, der nach brutalstmöglicher Milde gegen die Übeltäter in Turin, Mailand und anderswo zurückgetreten ist und Chef von Telecom Italia wird. Gemeint war auch Herr Rossi aus der italienischen Zeichentrickserie “Herr Rossi sucht das Glück”. Herr Rossi ist der sprichwörtliche Durchschnittsitaliener, könnte sich also glatt in Lieschen Müller verlieben, wenn sie in Rimini Urlaub macht. So viel subtile Poesie anläßlich einer einfachen Fußball-Kurzmeldung erzeugt große Freude.

Die Süddeutsche Zeitung überschrieb am Montag dieser Woche ihren Spielbericht zu Nürnberg gegen Bochum mit “Der Club ist kein Depp mehr” Am 16. April feierte der Verfasser dieser bescheidenen Zeilen nach dem 3:2 gegen Kaiserslautern den Klassenerhalt und die tolle Rückrunde unter der Überschrift “Der Club ist kein Depp mehr” Karl Valentin würde das jetzt für einen ausgemachten Zufall halten und Liesl Karstadt würde vehement widersprechen (vgl. Orchesterprobe, Radfahrer, etc.). Dass der beste Sportteil des Landes unauffällig Anleihen bei diesem Blog nimmt, bestätigt die Gerüchte, dass Volk ohne Raumdeckung nach einem knappen halben Jahr bereits zum Leitmedium in allen Fragen rund ums runde Leder geworden ist. Weiter so, Süddeutsche, und ab und zu mal die Quelle nennen.

Danke für die Kommentare der letzten Tage und drei Antworten an die Leute aus Essen, Frankfurt, Aachen. Essen: Warum hassen sich Schalke und Essen eigentlich noch herzlicher als Schalke und Dortmund? Und was ist aus Schwarz-Weiß Essen geworden? Aachen: Aufregend, ein Stadion zu haben, dessen Name ein bißchen nach Rummel in Kopenhagen und ein bißchen nach Nachtclub klingt. In Nürnberg gibt es zwar keine “Teilkasko-mit-Selbstbehalt-Arena” wie in Dortmund, aber leider ein EasyCredit Stadion. Wenigstens heißt das Ding nicht Arena. Frankfurt: Herzlichen Glückwunsch zum tollen Fußball mit Funkel, Thurk und Pröll. An Aachen (Feuerzeug gegen Wolfgang Wolf und bescheuertes Rumgedruckse von Jörg Berger danach) und Frankfurt (5:1 gegen Kaiserslautern am letzten Spieltag unter Jörg Berger) habe ich nicht nur holde Erinnerungen. Aber jetzt, da Berger weg ist, kann man sich ja gegenseitig nur das Beste, den gemeinsamen Klassenerhalt und den UEFA-Cup wünschen.

Die Wahrheit über Charlie Brown (2)

Sie erinnern sich: Baseball, die geheimnisvolle Schönheit unter den Ballsportarten. Gehen Sie zurück zum 2. September, wenn Sie noch gar nichts wissen. Ansonsten geht es heute um die Defensive. Zu den großen Mysterien des Baseball, die schnell deutlich machen, über welche philosophische Tiefe dieser Sport verfügt, gehört die Tatsache, dass die verteidigende Mannschaft zunächst im Ballbesitz ist. Ihre Aufgabe ist es zu verhindern, dass der angreifenden, oder sagen wir besser der Mannschaft, die im aktuellen Spielabschnitt die Chance hat, zu punkten, kein Homerun gelingt. Ein Homerun zählt einen Punkt. Die Verteidiger stehen auf das ganze Feld verteilt, der Catcher an der Homebase, die anderen Basemen an ihren Bases, die Outfielder im Outfield. Outfielder sind die Leute, die unsterblich berühmt werden, wenn es ihnen gelingt, einen Ball der das Stadion bereits verlassen hat, noch zu erwischen, indem sie besonders hoch springen und sich mit dem Fangarm weit nach hinten lehnen. Manch Outfielder ist dabei schon über den Zaun gepurzelt. Mittlerweile gibt es am Ende des Outfields, ca. 100 – 120 Meter weg von der Homebase, fette Knautschkissen, damit das kostbare Humankapital nicht nach jedem spektakulären Rettungsversuch monatelang ausfällt.

Im Infield, da wo sich der Diamant (die Raute) mit den vier Bases als Eckpunkten befindet, gibt es noch einen Spieler, den Shortstop. Sehr allgemein kann man die Funktion des Shortstop mit der Funktion des Doppelsechsers beim Fußball vergleichen. So um die Second Base herum ist immer besonders viel Betrieb im Spiel, soweit das beim eher kontemplativ strukturierten Baseball möglich ist. Da freut sich der Second Baseman, wenn ihm jemand ein bißchen hilft. Bei den Peanuts spielt Snoopy meistens Shortstop, wobei echte Peanutsianer auch andere Kinder aus der Gang kennen, die diese Position gespielt haben. Wenn Snoopy keine Lust auf Baseball hat, fängt er als Shortstop zwar den Ball, sabbert ihn aber so ab dabei, dass jedem anderen die Lust am Spiel vergangen ist.

[Kleiner familienpolitischer Abschweif: Ist jemand schon mal aufgefallen, dass die Generation Peanuts ihre Freizeit zusammen mit vielen anderen Kindern verbringt, das arme Einzelkind Calvin immer nur seinen Stofftiger Hobbes hat? Ende des familienpolitischen Abschweifs.]

Wichtigster Spieler in der verteidigenden Mannschaft ist der Pitcher. Man könnte ihn auch als Werfer bezeichnen, aber krampfige Germanizismen haben beim Baseball nichts verloren. Der Pitcher versucht den Ball so zum Catcher zu werfen, dass der Spieler der Angreifer, der gerade mit dem Schlagen dran ist, keine Chance hat, an den Ball zu kommen. Dazu pitcht der Pitcher Curveballs (ungefähr so etwas wie eine Bananenflanke), Slideballs (Flatterbälle) und Fastballs, die bis zu 170 km/h schnell werden können, obwohl sie natürlich in mph (miles per hour) gemessen werden.

Bei den Peanuts ist Charlie Brown der Pitcher. Beim Pitchen steht er auf einem kleinen Hügel, dem Pitcher’s Mound. Zugleich ist Charlie Brown auch der Manager seines Teams. Er hat die beiden wichtigsten Positionen inne und scheitert zumeist grandios. Stellen Sie sich eine Kreuzung aus Peter Neururer und Tomislav Piplica als Spielertrainer vor. So ähnlich ist Charlie Browns Funktion beim Baseball.

Damit das nicht nur theoretisch bleibt, wenden wir uns wieder dem aktuellen Sportgeschehen zu. Langsam geht die Baseballsaison in den USA in die entscheidende Phase. Es gibt die American League und die National League, in jeder gibt es drei Divisionen (East, Central, West). Warum das so ist, hat mit der Gechichte zu tun. Baseball ist der Sport, der am längsten in professionellen Ligen in den USA gespielt wird. Ganz früher waren das mal zwei Ligen. Die Spitzenreiter der drei Divisionen spielen zusammen mit einem Wildcard Team (dem punktbesten Zweiten aller drei Divisionen) den Sieger der League aus. Die Sieger der beiden Leagues spielen dann die World Series. In der American League heißen die ersten der drei Divisions im Moment New York Yankees (East), Detroit Tigers (Central) und die Oakland A’s (West). A steht für Athletics. Wild Card Team ist im Moment Minnesota.

In der National League sind es die New York Mets (East), der Lokalrivale der Übermannschaft Yankees. In der Central Division ist es St. Louis, im Westen sind es die Los Angeles Dodgers. Wild Card Team sind die San Diego Padres. Die Dogders waren früher die Brooklyn Dodgers und wurden dann nach LA verkauft. In dem etwas heimeligseligen Film “Blue in the Face” von Paul Auster spielt die Dogders-Geschichte eine wichtige Rolle.

Regelmäßige Informationen über MLB (Major League Baseball) aud deutsch finden sich auf dem sehr unterhaltsamen Sportblog “American Arena“ von Jürgen Kalwa.

„Durchwachsen?“

Reinhold Beckmann, Ahnungslosester der Ahnungslosen nannte die BL-Tabelle in der Sportschau gestern “durchwachsen”, weil der Erste nur zwei Siege und zwei Unentschieden auf dem Konto hatte. Der Anfang der Saison läßt hoffen, dass diesmal vieles anders sein wird, weniger vorhersehbar, weniger langweilig, weniger Beckmann. Nur die Gladbacher Auswärtsschwäche bleibt bestehen. Die vermeintlich Großen (Bayern, HSV, Bremen, Schalke) schwächeln und dümpeln vor sich hin, Mannschaften aus der vermeintlich zweiten Reihe (Hertha, Frankfurt, Aachen, Nürnberg) spielen mutig und erfolgreich und gelegentlich auch schön.

Die Hofschranzen des Bayerischen Rundfunks konnten es sich tatsächlich nicht verkneifen, dem Club nach dem 1:1 gegen starke Bochumer eine “Krise” einreden zu wollen. Dabei standen mit Saenko und Schroth wenigstens zwei Spieler auf dem Platz, die beim kicker bereits als Ausfall eingestuft waren. Die beiden Stürmer irrten auf dem Platz herum, als suchten sie den Weg zur nächsten Apotheke. Und Dominik Reinhardt stand 90 Minuten neben sich und zu weit weg von seinem Gegenspieler. Falls es von Meyer geplant war, Nürnberg die Last der Tabellenführung abzunehmen ohne deswegen gleich zu verlieren, war es ein taktischer Geniestreich. Jetzt darf sich die Hertha am Spitzenplatz erfreuen und lernen, wie es heißt, den heißen Atem der Verfolger im Genick zu spüren.

Sowohl Aachen als auch Hannover scheint der Trainerwechsel gut bekommen zu sein. Chapeau für Hecking und Frontzeck. Wenn die Bayern gegen Aachen und ohne ihren besten Mann der letzten Wochen Hargreaves auch so rumstümpern wie gegen die tollen Bielefelder (Wichniarek hat die Chance mit einer ganz starken Partie genutzt), dann wird vermutlich das Oktoberfest als Ausrede herhalten müssen.

Noch ein Wort zum Pokal: Könnte man nicht den unterklassigen Vereinen grundsätzlich Heimrecht geben? Warum sollen Zweitligisten gegen Erstligisten nicht auch den Heimvorteil und die Erfahrung eines proppenvollen Stadions haben? Das würde den Wettbewerb noch attraktiver machen und die Erstligisten würden die Fußballbasis ein bißchen besser kennen lernen, anstatt vor 6000 gelangweilten Fans zu Hause zu spielen. Paderborn gegen Nürnberg ist als Pokalpartie attraktiver als Bayern gegen Kaiserslautern, das zwanghaft wieder übertragen werden wird. Dabei ist der Knaller der zweiten Runde doch Köln gegen Schalke.